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Mitteilungen aus dem Schweizerkrieg von 1499 zugute gekommen sein. Das antiquarische Element drängt nirgendwo vor, Notizen wie die über das Alter von Trier und die mazedonische Abstammung der Sachsen sind kaum mehr als Verbrämung, aber die Taciteischen Germanenstämme sind mit bemerkenswerter Umsicht in den Landschaften des Deutschlands von 1512 untergebracht.

Chelidonius hat den Wert des Büchleins gut gekennzeichnet: „Nostrae Germaniae atque adeo nostrae urbis situm, mores et ingenia artificiosa quadam brevitate ita es complexus“, sagt er im Schlußwort zu Cochläus, „ut in eo nemo lector aut oneretur admodum notis aut fraudetur incognitis“.

Cochläus ist dann diesen Studien entfremdet worden. Als Hofmeister von Neffen Pirckheimers nach Italien gehend, hat er dort die entscheidende Richtung seines Geistes erhalten. Als er wiederkehrte, lag ihm anderes am Herzen als die Germania illustrata. Indes aber war schon in den Pirckheimerkreis der Mann getreten, der sich vermaß, mit 22 Jahren die Aufgabe zu lösen, die Celtis unvollendet aus der Hand gelegt hatte.


Franz Fritz, oder wie er sich dann gräzisierte, Irenikus d. i. Friedlieb genannt, war um das Jahr 1495 in Ettlingen geboren.[1] Schon der Knabe nahm Interesse an historischen Urkunden, auch das Neptunbild, das später Maximilian wegführen ließ, wird seine Phantasie erregt haben. In Pforzheim, wo er seine Schulbildung erhielt, war sein Lehrer Georg Simler, der selbst wieder ein Schüler Bebels war, aber daneben der gleichaltrige Melanchthon, „paene puer, caeterum adultissimus“, wie er selbst sagt. Halb Mitschüler, halb Lehrer war Nicolaus Gerbel, der spätere Herausgeber Cuspinians, der Konkurrent des Lazius in der Topographie des alten Griechenlands. Über allen schwebt der Geist Reuchlins, der oft seine Vaterstadt besuchte; sie alle denken wie Gerbel, der einmal an Reuchlin schreibt[2]: „Vis graecis studeam, studebo graecis; si Platonicum me esse velis, Platonem volvam, revolvam, volutabo; sin Livianum, Livium perlegam.“ Sie treiben Griechisch, wie es sonst in Deutschland kaum irgendwo geschah. 1509 ist Irenikus mit Melanchthon bei der Aufführung einer griechischen Komödie Reuchlins tätig. Sehr früh, schon Oktober 1510, also wahrscheinlich mit 15 Jahren, ist er in Heidelberg immatrikuliert und wird dort nach 1¼ Jahren Bakkalaureus in der via moderna, ein halbes Jahr nach Melanchthon. Er muß dann wohl eine Zeitlang ein literarisches Wanderleben geführt


  1. [274] 50) Über Irenikus hat Horawitz, Nationale Geschichtschreibung im sechzehnten Jahrhundert (Sybels HZ. XXV, 66) gehandelt, doch ist hier nur das Biographische einigermaßen erschöpfend, wenn auch jetzt veraltet, die Besprechung der Exegesis aber kaum mehr als eine Inhaltsangabe. Den Zusammenhang mit den Plänen der Germania illustrata hat zuerst E. Schmidt, Dte. Volkskde. im Zeitalter des Humanismus u. d. Reformation 56, gesehen. Eine Quellenuntersuchung wäre wünschenswert. Ich zitiere die Exegesis nach der ersten Ausgabe mit Buch- und Kapitelangabe. – Das Geburtsjahr des Irenikus kann nur aus seiner eigenen Angabe in der Oratio protreptica: nondum vigesimam tertiam aetatem ingressus hoc mare instructo navi primus imbui (ebenso I, 2) erschlossen werden. Falls das auf den ersten Plan geht, der vielleicht schon 1516 liegt, wäre 1493 oder 1494 anzusetzen. Der richtige Familienname ergibt sich aus der Heidelberger Matrikel, die Leipziger nennt zu 1441 einen Johann Fritcz de Etlyngen, doch wohl einen Verwandten, vielleicht den Großvater.
  2. [274] 51) Reuchlins Briefwechsel ed. Geiger 103 d. d. Pforzheim 1507 (?).