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drucken lassen, eine Germania generalis in Versen, die dem Kaiser genügen möge, bis er die ganze Germania illustrata in Händen hält. Sie spricht von der Erschaffung der Welt, von Deutschlands Lage in der Zone, wo Hitze und Kälte wechselt und nur Arbeit dem Boden Früchte entlockt, von dem eingeborenen Volke, dessen Name schon seinen brüderlichen Verein verkündet – es ist kriegerisch, fromm, treu und wahr und gleich geübt in allem ritterlichen Tun und den Beschäftigungen des Ackerbaues, der Kaufmannschaft und der Künste – von den Gestirnen, die über Deutschland aufgehen, von den vier Hauptströmen Germaniens, Weichsel, Elbe, Rhein und Donau, von denen nur die Donau deutsches Land verläßt, von den drei Hauptbergzügen, den Alpen, Karpathen und dem hercynischen Wald, dem wieder eine eigene Beschreibung gewidmet wird, endlich von der Beschaffenheit des Landes, es ist reich an allem, die frühere Unkultur ist geschwunden.

Sagen wir gleich, daß dies poetische Fragment das einzige Stück der Germania illustrata des Celtis geblieben ist. Er hat auf seinem Sterbebilde[1] unter seinen Werken, die ihn umgeben, auch die Quatuor libri Germaniae illustratae verzeichnen lassen; daraus und aus einer unklaren Angabe in der Vita, die die Sodalitas Rhenana der postumen Ausgabe der Oden beifügte[2], mag die Notiz von einem vollendeten Werke, die bei Trithemius und anderen spukt, entstanden sein, aber Vadian, der es wissen mußte, sagt ausdrücklich, daß die Germania nicht über die Anfänge hinausgekommen ist.[3]

Auch was wir sonst von den Arbeiten des Celtis an dem Werke erfahren, bestätigt uns dies. Er bemüht sich um eine Beschreibung des Etschtals und des Nonstals, ebenso um eine Schilderung der Markomannenstadt Olmütz[4] und besucht mit Aventin das ihm vertraute Regensburg, wohl um wieder, wie 1494, wo er die Hrotsuita dort gefunden hatte, nach Altertümern und alten Urkunden zu stöbern[5], aber das alles zeigt nur den Geographen und Altertümler. Noch bleibt, wie bei der Norimberga, die Frage offen, welche Fäden von dem alten Deutschland zum neuen hinüberführen sollten.

Versuchen wir sie wenigstens vermutungsweise zu beantworten. In einer der Elegien des zweiten Buchs der Amores entwirft Celtis ein Bild des goldenen Zeitalters Altgermaniens, wo alles so anders war als jetzt, und da heißt es:[6]

Horrida tunc rarus fuerat per rura sacerdos
Terra peregrinis nec fuit acta deis,
Sed druides castis cecinerunt carmina silvis


  1. [270] 16) Beschreibung bei Bauch, Rezeption des Humanismus in Wien 157 f. nach dem Münchner Exemplar, das Celtis selbst an Hartmann Schedel geschickt hatte.
  2. [270] 17) Theodoriceiden orsus, quo Theodorici regis Gothorum et Germaniae historiam complecti voluit versu heroico, oratione pedestri Germaniam illustratam, situm Norenbergae et de eius institutis, moribus, aliaque non multi ponderis opuscula.
  3. [270] 18) S. das Zitat aus dem Melakommentar bei Klüpfel II, 160. Die Stelle aus Huttich, auf die Klüpfel ebenda anspielt, beweist nichts für eine Existenz des Werkes (s. o. V64). Ein Argumentum e silentio ist, daß Aventin in seinen zahlreichen Erwähnungen des Celtis nur ein Zitat aus der Norimberga zu geben weiß (WW. VT, 156, vgl. IV, 106).
  4. [270] 19) Briefe von 1500 an Sigismund von Windeck, 1501 an Petrus Tritonius, 1503 an Martinus Sinapius, verzeichnet bei Klüpfel l. c. II, 155 f., vgl. Zingerle, Der Humanismus in Tirol unter Erzherzog Sigismund dem Münzreichen 28.
  5. [270] 20) Aventins Hauskalender (WW. VI, 87) zu 1502 dez. 7: venit Chunradus Celtis ad me Apsibergamum, equitavi cum eo Ror et Radesbonnam. Dazu möchte ich die Notiz VI, 142 ziehen, s. u. Anm. 37.
  6. [270] 21) Amores II, 9: Ad Elsulam a priscis et sanctis Germaniae moribus degeneratam.