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erst während der Arbeit an den Gentium migrationes bekannt wurden[1], in großem Umfange in sein Werk aufgenommen, Aventin selbst fast noch häufiger als Rhenanus zitiert hat. Aber es fehlt ihm die plastische Kraft, mit der Aventin selbst seine phantastischen Urzeitkonstruktionen lebendig zu machen weiß; schon die diskutierende Darstellungsweise, die er dem Rhenanus entlehnt, hindert ihn, Wirkungen der Art zu erzielen, mit einem „Non possum praeterire“ oder einem „Huc alludit quoque“ reiht sich ein Zeugnis an das andere. Es fehlt Lazius aber auch die großartige Anschauung Aventins vom deutschen Wesen, dabei spielt wieder der Barbarenbegriff des Rhenanus seine Rolle, den Aventin ganz von sich wies.

Im Grunde wurzelt Lazius auch nicht in dem Gedankenkreise Aventins, er kommt vielmehr von der genealogischen Geschichtschreibung her, deren Aufblühen am Hofe Maximilians uns beschäftigen wird, und wie er seine Österreichische Geschichte mit der Ehrenpforte des Stabius verglichen hat[2], so hat er die Gentium migrationes mit sonderbarer Motivierung jeweils in die Stammbäume der Herrscher- und Herrengeschlechter auslaufen lassen, die er bei seinen Kimmeriern, Boiern, Sueven, Markomannen und Goten unterbringen zu können glaubt. Lazius hat hier eine erhebliche Arbeit geleistet, aber die eigentliche Stärke des erstaunlich vielseitigen Mannes lag auch hier nicht. Sie lag vielmehr, ähnlich wie bei Althamer, in der Erfassung der Gegenwart. Er ist der erste Kartograph Österreichs geworden, dem Zeitgeschichtschreiber werden wir noch begegnen, und wenn wir in dem Gelehrsamkeitswust der Gentium migrationes so ausgezeichnete Bemerkungen wie über die Sitten der Schwaben, denen er durch Geburt angehörte, die Dialektunterschiede zwischen Alemannisch und Österreichisch, oder gar die über die deutsche Sprachinsel Gottschee finden, so bedauern wir, fast wie bei Felix Fabri, daß Lazius sein Buch nicht nur „de experientiis propriis“ geschrieben hat.

Ein echter Schüler des Rhenanus war aber Lazius so wenig wie Althamer, das war nur einer, ein Größerer, Joachim Vadian. Von ihm aber muß in anderem Zusammenhange die Rede sein.




  1. [269] 224) Nach Mayr l. c. 92 muß Lazius mindestens schon seit 1551 an den Gentium migrationes gearbeitet haben, Aventins Annalen erschienen aber erst 1554 im Druck.
  2. [269] 225) Vgl. Mayr l. c. 175, dazu 63 und 80.