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So war Beatus Rhenanus nicht geeignet, Schule zu machen, und er hat keine gemacht.[1] Aber es gibt doch zwei Männer, die sich als seine Schüler bekennen und versucht haben in seinem Sinne zu arbeiten, Andreas Althamer und Wolfgang Lazius. Andreas Althamer[2] hat seinen Namen in der Geschichte als lutherfester Reformator der hohenzollerschen Frankenlande. Aber es gab Zeiten, wo er nach anderen Kränzen strebte. Wie so viele andere, hat er nach einem Encomiastes Germaniae ausgeschaut, „qui maiorum nostrorum cunabula, ritus, heroica facta, sedum transmutationes totamque Germaniam iusto volumine celebraret“[3], und als dieser nicht kam, sich selbst seine Provinz im Reiche deutscher Vergangenheitserforschung gewählt. Schon dem Knaben fielen die Altertümer an der Kirchhofsmauer des Heimatdörfchens Brenz und im benachbarten Gundelfingen auf.[4] Verständnis dafür eröffnete ihm die Augsburger Schulzeit, wo er bei seinem Oheim, dem Priester Johann Kürschner, wohnte, und von Johann Foeniseca, dem Korrektor der Ausgabe der Ursperger Chronik von 1515, dem Vertrauten Aventins und Peutingers, unterrichtet wurde. Die Kunst- und Altertumsschätze Peutingers hat er noch spät in bewundernder Erinnerung behalten.[5] Dann studiert er in Leipzig, Tübingen und wieder in Leipzig, wo er Mosellan und Richard Crocus als seine Lehrer nennt. Ihnen verdankt er wohl die elegante Gräzisierung seines Namens in Paläosphyra. Er war dort, als die berühmte Disputation Luthers mit Eck stattfand, vielleicht hat diese schon seine religiöse Stellung bestimmt. Im übrigen aber sind seine Interessen noch durchaus humanistisch, und zwar war es die freiere Richtung der „Poeten“, die den jungen Menschen ganz gefangen nahm. Daneben stehen historische Studien. Der Kreis, in dem er lebt, begeistert sich für Oden des Celtis und verfaßt Epigramme auf die Lipsica Hermanns von dem Busche. Es sind Leute, die später meist den Weg vom Humanisten zum Theologen gefunden haben, aber auch Sebastian Münster gehört dazu, der den umgekehrten gegangen ist.[6] Am liebsten wäre Althamer also ein poeta und historiographus geworden, wie sich die Humanisten seines Schlages gerne nannten. Trotz den Abmahnungen des nüchternen Oheims, der ihn lieber beim Philosophiestudium und im geistlichen Stand gesehen hätte, blieb er den alten Neigungen treu, er plante irgendeine Verherrlichung seiner Heimat, die Caesarstelle über die 100 Gaue Schwabens reizte ihn zu einer Erläuterung, wie sie 1506 Heinrich Bebel versucht hatte. Daneben sammelte er schon seit der ersten Leipziger Zeit für einen Germaniakommentar. Zwei Bekanntschaften


  1. [265] 181) Horawitz l. c. 362.
  2. [265] 182) Über ihn s. Th. Kolde, Andreas Althamer, der Humanist und Reformator in d. Beitrr. z. bayer. Kirchengeschichte I (auch separat). Das dokumentarische Material meist bei J. A. Ballenstedt, Andreae Althameri Vita. Wolfenbutelae 1740. Ich gebe im folgenden nur Nachweise, wo sie nicht aus Kolde entnommen werden können. Die beiden Ausgaben des Germaniakommentars von 1529 und 1536 (s. u.) zitiere ich als Tacitus I und II.
  3. [265] 183) Widmung zum Tacitus II.
  4. [265] 184) Tacitus II, 34. Er gibt die Inschrift eines Steins in der Mauer = CIL. III, Abt. II, 722 nr. 5870 und sagt dann: Foris per muri gyrum sunt ad ducentos ferme lapides excisi variarum imaginum miri operis et ethnicae antiquitatis indices. Sunt regum, reginarum, virorum, mulierum, centaurorum effigies; avium varia genera, aquilae, pellicani, grues, ciconiae, cygni, struthiones, auritae propendulis et longe patentibus auribus, basilisci, galli, gallinae et aliae mihi prorsus signotae; animalia leones, tauri, cervi, canes venatici, apri, pardi, pantherae, porci, simiae, lepores, hirci, feles, asini; monstra marina sirenes, pisces, cancri, [266] araneae, testudines, praeterea labyrinthi, rosae, lilia, flores, folia et alia multa. Nach römischem Altertum sieht die Beschreibung allerdings nicht aus.
  5. [266] 185) Tacitus II, 72 erwähnt er die Peutingersche Tafel nach persönlichen Mitteilungen Peutingers. S. auch oben Anm. 62 und Tacitus II, 114 und 288.
  6. [266] 186) Klüpfel, Vita Celtis II, 123, Neff, Helius Eobanus Hessus Norimberga illustrata xxxiii. Ein Aufenthalt Münsters in Leipzig ist allerdings bis jetzt nicht bekannt.