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ihm die Ableitung von den Salischen Franken. Er hat nur Spott für die Versuche, aus jedem Stadtnamen einen Gründernamen, womöglich einen römischen zu finden, auch ob Basel etwa von König Heinrich gegründet sei, scheint ihm nicht wichtig.[1] Ebenso kritisch ist er gegen die Fürstengenealogien. Auch die Habsburger, meint er, könnten sich damit begnügen, daß ihre Ahnen früher die Herren des alten Vindonissa gewesen seien und daß sie jetzt mehr Länder germanischen Wanderbesitzes beherrschten als irgendein deutscher Fürst.[2] Maximilian hätte sich damit nicht begnügt, und den Berosus hat Rhenanus auch dem Aventin nicht entreißen können. Aber es ist doch so, daß Rhenanus das germanische Pantheon der Humanisten in demselben Sinne und derselben Absicht zu entvölkern versucht hat wie Erasmus den Heiligenhimmel der katholischen Kirche.

Für das, was er also nahm, glaubte Rhenanus einen Trunk aus reinerer Quelle bieten zu können. Die Namen der Stämme und Städte, aber auch der Berge, Wälder und Flüsse, die hauptsächlich zu jenen etymologischen Sagen Anlaß gegeben hatten, will er, wie schon im Tacituskommentar von 1519, anders erklären. Sie sind entweder urdeutsch und stammen dann meist von Eigenschaften, wie die der Istävonen, Ingävonen und Herminonen, die er als Usserstenwoner, Wigwoner [= incolae sinus maris] und Hertwoner erklärt, oder sie sind aus römischen Benennungen vom Volke, das sie nicht verstand, verdorben. Hier hat Rhenanus so hübsche Dinge wie Cambeta = Kembs und Sanctio = Säckingen gefunden, aber auch der Namensgleichheit zuliebe Lupodunum in Lupfen und das Monumentum Traiani in Cronberg im Taunus gesucht, auch die Pfalzgrafen möchte er nicht bei dem ihm wohlbekannten Begriff des fränkischen palatinus lassen, sondern an das römische Capellatum, das er bei Ammian findet, anknüpfen.[3] Hier wie anderswo versucht er auch zu Regeln vorzudringen, nach denen diese Veränderungen sich vollzogen haben könnten[4], aber es ist natürlich, daß weder diese noch die Einzelresultate Dauer haben konnten.

Auch ist er in seinen Anschauungen nicht konsequent geblieben. Trotzdem er so scharf zwischen Germania antiqua und recentior und zwischen gallischer und germanischer Sprache unterschieden hat, kann er doch mit der Notiz des Herodot, daß die Donau im Keltenland entspringe, nichts anfangen, und obgleich er weiß, daß die Gallier Berge und Flüsse im späteren Deutschland benannt haben, beharrt er darauf, das Wort aus dem Deutschen abzuleiten.[5] Ja, wir sehen ihn in den späteren Jahren seines Lebens doch wieder auf dem Wege


  1. [265] 169) Res Germ. 138: Neque enim qui vel moenibus cingit oppidum vel ampliat aut aedibus sacris exornat, statim conditor dici meretur.
  2. [265] 170) Widmung an Ferdinand.
  3. [265] 171) Res Germ. 45, 47, 52, 123. Weitere Zusammenstellungen bei Horawitz 355.
  4. [265] 172) S. ferner Andeutung des Unterschieds zwischen Hoch- und Niederdeutsch Res Germ. 112 und den Abschnitt De nominibus propriis veterum Germanorum S. 178. Sehr auffallend ist sein Zurückgreifen auf niederdeutsche Wortformen im Tacituskommentar.
  5. [265] 173) Res Germ. 121; eine Art Erklärung seiner Meinung gibt der Tacituskommentar von 1533 S. 423, wo er findet, daß die Kelten den alten Germanen so ähnlich geschildert wurden, daß sie doch vielleicht auch, wie die Belgen, von den Germanen stammten. Ein Beweis dafür sind ihm auch die Königsnamen und das Wort ambacti. Dagegen hat er Alpen und Alp richtig als keltisch erklärt (Tacitus 427).