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wahrscheinlich ein Inselvolk, sie dringen in das Gebiet der alten Sicambrer, dann im Wetteifer mit Franken und Alemannen[1] gegen den Rhein vor und, dort zurückgeworfen, in die alten Suevensitze.

Diesen drei Hauptvölkern, „die fast alle Germanenstämme in sich begreifen“, schließt Rhenanus kleinere an, die Burgunder, Thüringer, Hessen, aber auch Schlesier, Preußen und Dänen, die alle aus dieser wunderbar völkerreichen Nordmeergegend herkommen[2], er hält sie also auch für Germanen.

Nun erst hat sich Rhenanus den Weg zu der Schilderung der Einbrüche der Germanen in das zerfallende Römerreich gebahnt. Wir begleiten nun die Goten nach Italien und Gallien, die Burgunden in das alte Häduer- und Sequanergebiet, die Franken bei ihrer Ausbreitung über den Rhein, die Alemannen in dem gleichen Beginnen, dann die Quaden nach Ungarn, die Markomannen nach Norikum und Vindelicien – hier ist es, wo Rhenanus als erster der Hypothese von der Boierabstammung der Baiern entgegentritt. Es folgen die Wanderungen der Heruler, Rugier, Langobarden nach Italien, der Pikten, Skoten und Angelsachsen nach Britannien, auch glaubt er wahrscheinlich machen zu können, daß ein Teil der Sachsen in das Helvetierland gewandert sei.

Aber er weiß auch, daß nun Deutschland leer geworden ist, und will von der Slaveneinwanderung in den deutschen Osten erzählen, greift aber zunächst zurück auf die Zeiten, wo die Gallier den Germanen überlegen waren und ihre Stämme den Boden Süddeutschlands besetzten. Das ist ihm auch deshalb wichtig, weil er die Namen dieser Stämme in noch lebenden Ortsbezeichnungen wiederfindet: den Namen der Boier in Böhmen, aber auch den der Tektosagen in Teck am Neckar. – Mit der Slaveneinwanderung schließt das erste Buch.

Das zweite Buch enthält die weitere Geschichte der Franken und Alemannen. Bis zur Schlacht bei Tolbiacum erscheinen beide Völker als Rivalen um die Herrschaft im oberrheinischen Römerland. Da aber verließ die Alemannen das Glück, an einem Tage verloren sie Ruhm und Freiheit. Seit der Zeit datiert die Knechtschaft im Alemannenland, auch die Hörigkeit an Klöster und Stifter hat von fränkischer Vergabung ihren Ursprung. Die Franken regieren nun diese wie andere ihrer Eroberungen zum Teil in römischen Verwaltungsformen[3], zugleich aber bringen sie das Christentum, das Chlodwig in der Not der Schlacht[4] angenommen hatte. Freilich weiß Rhenanus von älteren Glaubensboten in Deutschland, von Maternus, Afra, Florian – de tempore dubito, de re ipsa satis certus, sagt er


  1. [260] 129) Res Germ. 54: Porro cum Saxones stimularet aemulatio, quippe qui viderent Francos Alemannosque mutatis sedibus cottidianis provinciarum praedis ditari, decreverunt et ipsi in Romanos fines incursionem facere.
  2. [260] 130) l. c. 57. Die Vorstellung von Scandia als der officina gentium geht auf Jordanes, Getica [ed. Mommsen 60] zurück und war dann durch Isidor und Ekkehard allgemein verbreitet.
  3. [260] 131) Res Germ. 84: Tum regnum, quod olim in complures reges divisum erat, quemadmodum ex Ammiano licet intellegere, versum est in ducatum. In hoc Romanos imitati sunt Franci, nam illi provinciarum rectores duces appellabant, id quod ex libro magistratuum Romanorum satis liquet. – 85: Nam Franci in gubernanda plebe Romanorum consuetudinem in Galliis repertam etiam ad alios populos una cum ipsis vocabulis transtulerunt.
  4. [260] 132) Res Germ. 82: Nihil superfuit Ludovico regi, quem Galli Clodoveum appellant, nisi ad divinam opem confugere, cuius tum praecipua cura, ceu quidam inquit, cum salutis spes nulla est.