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nun die Versuche, zunächst das echte Corpus iuris unter dem Wust der Glossatoren zu entdecken. Angelo Politiano bricht hier Bahn, auch seine Anregungen scheinen fast mehr in Deutschland und Frankreich als in Italien gewirkt zu haben. Wir sehen in dem Briefwechsel des Beatus Rhenanus, welche Erregung die Aussicht hervorruft, die Florentiner Pandektenhandschrift gedruckt zu sehen, in dem Pirckheimers, welche Hoffnung man an Haloanders Bemühungen in dieser Hinsicht knüpfte.

Andere aber sehen die Dinge schon anders an. Wir haben ein Epigramm von Celtis, das die Deutschen vor dem Italienlaufen warnt, dort könne man nur das päpstliche Recht studieren, die Kenntnis des wahren kaiserlichen Rechts sei in Deutschland zu holen. Bebel, in so manchen Punkten der Rivale des Celtis, greift Justinian als schlechten Lateiner an, Cochläus schreibt in Bologna, wo er sich für Theoderich und die Goten begeistert, Septem querelae in Justinianum, „omnia pro veritate et legum reformatione“.[1] Diese Angriffe finden Widerhall in den Charakteristiken, wie sie Huttich und Cuspinian in ihren Kaiserbüchern diesem Herrscher widmen. Sie verdichten sich zu dem Wunsche, daß Maximilian, von dem man ja alles erwartet, das alte Werk revidieren, die Kommentare unterdrücken, am Ende gar das deutsche Zivilrecht neu kodifizieren soll.[2]

Wenn der Gedanke, wie es scheint, dem Wiener Kreise des Celtis entsprungen ist, so wird der Hinweis auf Karl den Großen und andere deutsche Herrscher nicht gefehlt haben, von deren gesetzgeberischer Tätigkeit man wußte und deren Spuren man nun zu suchen begann. Auch hier war alter Schutt hinwegzuräumen. Noch ein so hellblickender Mann wie der Nürnberger Arzt Hieronymus Münzer hatte sich auf seiner Europareise in Köln zwar an Karls des Großen Sachsenbezwingung und seine Kapitularien erinnert gefühlt, aber er meinte, sie seien dasselbe, was man jetzt „Speculum Caroli Magni“, also den Sachsenspiegel, nenne.[3]

Auch von hier aus konnte man zu anderen Ergebnissen kommen als die Vorzeit. Albert Krantz hat das gezeigt, indem er den Sachsenspiegel als historische Quelle zu benutzen begann; Cochläus nennt in seiner Beschreibung Deutschlands das Magdeburger Stadtrecht ein ius civile abbreviatum. Andere gingen weiter.

1516 findet Richard Bartholinus aus Perugia, ein am Hofe Maximilians und als Sekretär Matthäus Längs in Deutschland eingebürgerter Italiener, in einem Kloster, wohl im Bairischen, ein Gesetzbuch, das er Kaiser Lothar II. zuschreibt, und die Augsburger


  1. [254] 77) Celtis, Epigramme I, 88. Zapf, Bebel 110, Heumann, Documenta litteraria 13 ff. Vgl. Knod, Jakob Spiegel I, 29 und zum Ganzen Stintzing, Gesch. d. dtn. Rechtswissenschaft I, 209 ff.
  2. [254] 78) Stintzing l. c.
  3. [254] 79) S. Münzers Reisebeschreibung in clm. 431 Bl. 269b.