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Rede Kardinal Briçonnets, desselben, der auch Wolffs patriotische Psalmenerklärung veranlaßt hatte, ediert[1], und man hatte nun die deutschen Heldengedichte, die man so lange ersehnt hatte. Nicht lügenhafte Spielmannsdichtung, wie man sie immer noch von Dietrich von Bern sang und mit der man sich höchstens in der gekünstelten Art des Trithemius abfinden konnte[2], sondern wahre Geschichte, die sich aus zeitgenössischen Quellen erhärten ließ.[3]

1515 erscheinen dann Jordanes, Paulus Diaconus, die Ursperger Chronik und der langersehnte Otto von Freising, jene durch Konrad Peutinger mit Stabius in Augsburg, dieser durch Cuspinian in Wien besorgt, 1521 Einhards Leben Karls des Großen mit den fränkischen Reichsannalen, und Regino von Prüm, von den fränkischen Adligen Hermann von Neuenar und Sebastian von Rotenhan, dem Schwager Huttens, ans Licht gezogen. Die Einleitungen der Herausgeber betonen übereinstimmend, daß hier Geschichte aus den Erzählungen von Zeitgenossen oder gar von Teilnehmern geschöpft werden könne, sie verzeichnen mit Genugtuung die Ehrenrettung, die durch Paulus Diaconus den Langobarden zuteil wird, die Widerlegung der Fabeln über die Translatio imperii, die man aus Einhard schöpfen könne. Die Bedenken Wimpfelings über den barbarischen Stil der Quellen haben sie längst überwunden, sie ziehen die nackte Wahrheit der Annalen den geschmückten Historien der Modernen vor.

Auch in diesen ersten Drucken zeigt sich die Vorliebe der Editoren für die Zeiten der Völkerwanderung, der Frankenkönige und der Staufer. Das Material für die Sachsen- und Salierkaiser bleibt zunächst gering, Widukind, Hermann von Reichenau und Lambert kommen erst später zum Druck, aber als entdeckt können auch sie seit Trithemius und Nauklerus gelten.

Auch Ansätze zur Textkritik dieser Autoren finden sich. Man sucht, wenn möglich, mehrere Handschriften zu vergleichen, wenn auch hier noch jedes Prinzip fehlt. Wichtiger wird es, daß man allmählich imstande ist, in den großen Kompilationen des Mittelalters Bestandteile zu unterscheiden. Schon Hartmann Schedel bemerkt, als ihm 1498 ein Heft: Gesta Karoli Magni in die Hand kommt, daß es nicht von einem Autor sein könne. In der Tat hatte er Einhards Vita Karoli, die Reichsannalen und den Monachus Sangallensis vor sich und er hat die Stilunterschiede der drei Stücke nicht übel charakterisiert.[4] Peutinger bemüht sich, wenn auch ohne Glück, die Zusätze des Paulus Diaconus vom Breviarium des Eutropius richtig zu


  1. [250] 41) Straßburg, Grüninger 1508. Vorrede an Eitel Johann von Rechburg, bischöflichen Hofrichter in Straßburg. – Holder-Egger nimmt im Vorwort seiner Ausgabe [M. G. SS. XV, II und Schulausgabe der SS. rer. German. 1889] an, daß Soupher und Wimpfeling der gleiche Speirer Kodex vorgelegen habe. Das ist auch deshalb wahrscheinlich, weil sowohl Soupher als Rechburg in engen Beziehungen zu Wimpfeling erscheinen (s. Knepper, Wimpfeling 2291, 3054, 355) und Beatus Rhenanus der Ausgabe Souphers ein Nachwort an Wimpfeling mitgab, das das Nachzittern des Streits mit Murner beweist. Dann ist es aber doch kaum anders möglich, als daß Soupher die Handschrift durch Wimpfeling kennen lernte. – Über den deutschen Namen Souphers (Schuler) s. Knod im CBlBiblW. Bd. IV, 310.
  2. [250] 42) Bebel, Commentaria epistolarum conficiendarum (Pforzheim 1510), Bl. 130 (nach einer interessanten Aufzählung der in den Predigten gebräuchlichsten Fabel- und Legendenliteratur): Et ego novi unum, qui suae contioni testimonium adhibuit ex gestis Theodorici, quem nostri ducem Veronensem vocitant, cum merum sit commentum, sicut omnes aliae cantiones vernaculae de gigantibus, de Fafoldo (!), Hiltebrando, de duce Ernesto et de aliis. Nam Theodericus ille rex fuit Gothorum, et quid egerit in Italia, non est obscurum, quoniam Cassiodorus, eius cancellarius, Jordanus et alii multi eius atque Gothorum gesta scripserunt, nec pro veritate recitantur a prudentibus, verum germanica est poesis, quae principes ad res fortiter gerendas illorum exemplis cohortetur, uti plura dixi in oratione habita in principio commentariorum Caesaris, quae iam publice profiteor. Zur Schlußbemerkung s. o. S. 75132. – Ferner Trithemius, Annales Hirsaugienses I, 399: Consueverunt enim veteres Germani studia gestusque imitantes Graecorum, a quibus duxerunt originem, fortia principum suorum acta in carmen et cantilenas reducere et mortalium facta deorum immortalium gestis sub figurarum et aenigmatum restringendo symbolis comparare.
  3. [250] 43) Dem Ligurinus ist ein Brief Peutingers an Maximilian beigedruckt, in dem er eine Ausgabe des Otto von Freising ankündigt und mit einer Genealogie der Hohenstaufen auch das Schreiben Friedrich Barbarossas an Otto aus Gesta I [251] abdruckt, „cum quod verba principis, tum [ut] Ligurino ipsi ad annos plerosque testimonia essent“.
  4. [251] 44) Clm. 569 Bl. 3b: Gesta Karoli magni, quae hic annotata vides, non ab eodem auctore conscripta sunt. Nam primus liber de Karolo magno loquitur, qui vero secundus intitulatus est, de eius avo narrat et ille etiam diversum habet auctorem, ultima vero duo etiam ut alium stilum et inferiorem prae se ferunt, ita et auctorem. Primi libri meminit Otto Frisingensis in cronico suo et nomen auctoris ignorat, est tamen stilus grandiloquus, qui vero secundus liber inscribitus, climace etiam annotatus est, reliqua vero vulgari et minus compto stilo scripta sunt. – Der Kodex war vielleicht eine Abschrift des von Aventin benutzten aus St. Mang, s. Riezler zu Aventins Annales I (WW. II) 419.