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in ihre Werke aufgenommen. Auch der Gedanke, den die Türkenrede anklingen läßt und die Anzeig mannigfach variiert, daß die Päpste die eigentlichen Widersacher der Kaiser und die Haupthindernisse früherer Kreuzzugsfahrten derselben gewesen seien, fand sich, wie wir sahen, schon bei Bebel und Coccinius.

Aber hier hat Hutten weitergegraben, mit ebensoviel Erfolg wie Leidenschaft. Denn seine Gelehrsamkeit wie sein Geist ist „aus dem Zorne geboren“. Freilich wenn er auf dem Augsburger Reichstag von dem Rußlandfahrer Sigmund von Herberstein hört, daß es im Osten wirklich, wie Matthäus von Miechow zuerst behauptet hatte, keine rhipäischen und keine hyperboreischen Berge gebe[1], so wirft es ihn fast nieder, daß sich eine so fest geglaubte Meinung in Fabeln und Trug auflöst. Aber das bleibt eine vereinzelte Erkenntnis, keine weiteren schließen sich daran. Wie anders, wenn er ein Bollwerk der „Romanisten“ als windigen Trug erweisen kann!

Es ist merkwürdig, wie gut chronologisch hier die Huttenschen Erkenntnisse und Entdeckungen sich zusammenfügen: 1517, im Begriff Italien zu verlassen, bekommt er in Bologna von Cochläus Vallas Schrift über die konstantinische Schenkung.[2] Sie lehrt ihn, daß die weltliche Macht der Päpste auf einer Fälschung beruhe. 1519 findet er in Fulda neben einer Lebensbeschreibung Heinrichs IV., die wir nicht mehr zu identifizieren vermögen, den Waltram von Naumburg zugeschriebenen Liber de unitate ecclesiae conservanda.[3] Er enthüllt ihm die so lange verborgene Größe Heinrichs IV., er spielt sie gegen die Italiener aus und kann nun beweisen, daß Heinrich nicht nur noch eher als Friedrich Barbarossa das Lob des allerstreitbarsten deutschen Kaisers verdient, sondern daß überhaupt seinesgleichen in deutschen Landen nie geboren ist.[4] Etwa gleichzeitig mag er auf die Briefe des Petrus de Vineis gestoßen sein[5], die ihm für Friedrich II. den gleichen Dienst gegen die Italiener tun. Ein Jahr darauf erhält er auf einer Rheinreise bei dem humanistischen Zöllner Eschenfelder in Boppard eine Aktensammlung aus der Zeit der Kirchenspaltung.[6] Er findet darin theologische Bundesgenossen einer vergangenen Generation. Endlich im Winter 1521 weiß er sogar aus Sickingens Bibliothek auf der Ebernburg einen nützlichen Fund zu heben: eine Schrift für das Basler Konzil und dessen Papst Felix V.[7] Er wird ihm seine Meinung von dem „Verräter“ Eugenius IV. bestätigt haben.[8]

Ein wohlangelegtes Arsenal, dessen Benutzung Hutten überdies durch die Drucklegung der meisten dieser Schriften allen Mitstrebenden ermöglichen wollte.


  1. [248] 4) Opp. I, 215. D. F. Strauß, Hutten2 233. Michow, Das Bekanntwerden Rußlands in Vor-Herbersteinscher Zeit i. d. Verhandlgn. d. 5. dt. Geographentages 1885, S. 129.
  2. [248] 5) Strauß 140, vgl. Opp. I, 155 ff.
  3. [248] 6) Opp. I, 325 ff., vgl. Wattenbach G. Qn. II6, 92. Meyer v. Knonau, Jbb. d. dt. Reichs unter Heinrich IV. Bd. III, 591 ff.
  4. [248] 7) Opp. V, 367, 370.
  5. [248] 8) Opp. V, 374.
  6. [248] 9) Strauß 330. Lindner hat [Theolog. Studien u. Kritiken XXXXVI, 151 ff.] gezeigt, daß es apokryphe Sendschreiben der Oxforder, Prager und Pariser Universität sind.
  7. [248] 10) Strauß 421.
  8. [248] 11) Opp. V, 380.