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sind sich auffallend ähnlich in der Art, wie sie vergessene Quellen zu finden und würdigen wissen, es ist nicht unmöglich, daß sich ihre Wege dabei gekreuzt haben.[1] Derselbe Hirschauer Klosterbruder, dem Trithemius den zweiten Band seiner Annalen zuschrieb, hat das Werk des Nauklerus zum Drucke befördert und aus diesen Annalen ergänzt.[2] Und wenn man die beiden Werke nur flüchtig anschaut, so möchte man sie für Kinder desselben Geistes halten.

Aber das ist ein Irrtum. Wenn Trithemius Gregor VII. zu schildern hat, so benutzt er einfach die durchaus panegyrischen Worte Platinas. Nauklerus schwankt selbst in seinem Urteil und gibt dem durch Heranziehung verschiedener Quellen Ausdruck. Gilt es das Schlußurteil über Heinrich IV., so sagt Trithemius: „Er war ein Mann von hohen Eigenschaften des Geistes und Herzens, aber er hat die Kirche verachtet“; Nauklerus mit den Worten der letzten, doch auch nicht Heinrichfreundlichen Rezension des Ekkehard: „Er hat die Zensuren der Kirche verachtet, aber er wäre der würdigste Herrscher gewesen, wenn doch nicht im Streite der Laster der Mensch entartete oder innerlich unterläge“.[3] So ist auch der Ton bei der Erzählung von Canossa und den folgenden Ereignissen, trotzdem beide hier Lambert folgen, charakteristisch verschieden. Nur Naukler erzählt etwas von den Beschwerden der winterlichen Alpenreise und von der Geduld, mit der Heinrich im Schloßhof von Canossa wartete, dagegen öffnet Trithemius seine Chronik den sinnlosen Klatschgeschichten, die die Disibodenberger Annalen über die Gründe des Abfalls des jungen Konrads erzählten.

Es ist klar, daß Naukler, wenn er im kirchlichen Sinne Trithemius nahe kommt, von der Würde der kaiserlichen Gewalt eine höhere Vorstellung hat. Das sieht man noch deutlicher bei den Staufen, denn hier hat Naukler seiner annalistischen Darstellung noch eine Beschreibung Schwabens angehängt, die am Schluß alle schwäbischen Herrscher bis auf Konradin an uns vorüberziehen läßt. Da ist keiner aus dem staufischen Hause, an dem man „etwas nicht Erhabenes, nicht Großartiges, nicht Bewundernswertes“ fände, von Konrad, dem Türkenschrecken, über Friedrich Barbarossa, den Wiederhersteller des Reichs, bis zu Heinrich VI., der per omnia magnanimus heißt, und Friedrich II., für dessen Charakteristik er dieselben preisenden Worte des Enea Silvio wählt, die Wimpfeling seiner Epitome eingefügt hatte.[4]

Für die Einzelheiten verweist er auf die vorhergehende Erzählung. Schlagen wir diese aber nach, so ändert sich das Bild. Da heißt es von Friedrich Barbarossa: „Er war der größte Herrscher seit Karl dem


  1. [247] 102) Ich denke dabei zunächst an die Erwähnung von Urkunden, die Nauklerus in Hirschau gesehen haben will (II, 162, 180b, 187b). Sodann aber wird doch wohl auch der Lambert und vielleicht der Ligurinus aus dem Kreise des Trithemius stammen, da Celtis schwerlich mit Bebel in direkte Beziehungen getreten ist. Vgl. unten V39.
  2. [247] 103) Anderseits hat Trithemius in seinen Annalen Nauklers Chronik vor dem Druck benutzt. Das Verhältnis ist klar gelegt von H. Müller in FDG XXIII, 595. Doch ist der stärkste Beweis, daß Trithemius in Annales Hirsaugienses II Nauklerus benutzt hat, sowohl von Müller als von König [FDG XVIII, 47 ff.] übersehen worden. Er liegt in der falschen Einreihung des sächsischen Prinzenraubes [Ann. II, 471], die sich nur aus Nauclerus II, 293b erklärt. Naukler selbst folgt dem Aeneas Sylvius, Europa, cap. 32 und stellt die Sache ohne Jahr an den Schluß der 49. Generation, weil er bei Enea kein Jahr findet.
  3. [247] 104) Übersetzung Meyers v. Knonau i. d. Jbb. d. dt. Reichs unter Heinrich IV. Bd. V, 348.
  4. [247] 105) S. o. III97.