Seite:De Geschichtsauffassung 100.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

von nicht geringer Bedeutung gewesen, daß ihnen für diese Zeit in den großen Werken des Biondo und Platina moderne, quellenmäßig gearbeitete Darstellungen von unbestrittenem Ansehen vorlagen und daß die Tendenz dieser Werke, wenn nicht päpstlich, so doch antikaiserlich war. Aber Nauklerus erliegt dem nicht, wie Murrho und Wimpfeling. Die Italiener treten für ihn auf eine Seite zusammen – daß Antonin auf dem äußersten Flügel steht, spricht er bezeichnend aus[1] – und dagegen stellt er die Teutonici scriptores, soweit er ihrer habhaft werden kann. Sein bester Fund ist der Lambert von Hersfeld[2], aber er kennt auch den letzten Bearbeiter der Chronik des Ekkehard von Aura und rühmt ihn als Mithandelnden bei den strittigen Vorgängen der letzten Jahre Heinrichs IV.[3] Wie anders klingt das schon als Meisterlins Scheidung der Eusebii citramontani und ultramontani!

Die Wichtigkeit dessen, was er erzählt, ist ihm völlig klar, er versucht, den Streit um die Investitur von den übrigen Wirren unter Heinrich IV. abzuheben[4], das Wormser Konkordat faßt er mit juristischer Schärfe als eine gegenseitige Bindung.

Nicht ebenso deutlich ist seine Stellung in dem ganzen Streite; fast scheint es, als sei es nicht nur ein rhetorischer Übergang, wenn er von der Urkunde von 1122 sogleich zu den Kämpfen mit Roger in Apulien eilt. Die Frage, ob der Papst den Kaiser absetzen könne, dagegen behandelt er, von Otto von Freising angeregt, ausführlich, ja er erweitert sie, wie dieser, zu einer Erörterung über das Verhältnis der beiden Schwerter. Doch die Erörterung bleibt scholastisch. Nicht eine eigene Meinung steht am Schluß, sondern ein Ausspruch Johannes Gersons. Immerhin mag Naukler wohl die Meinung Ottos geteilt haben, daß der Zustand der herrschenden Kirche der glücklichere, der der armen aber der bessere gewesen sei. Wahrscheinlich von diesem Standpunkt aus hat er ja auch seinen Traktat über die Simonie geschrieben, den Bebel mit einem lobenden Gedicht begrüßte.[5] Jedenfalls steht er weit von dem jugendlichen Coccinius, der gerade in diesen Kämpfen um die Investitur die Wurzel alles Übels im Reiche gesehen hatte.[6] Hat er sich ja auch aus Valla zwar ein spöttisches Wort über den heiligen Franziskus[7], aber nicht dessen durchschlagende Gründe gegen die Konstantinische Schenkung angeeignet.[8]

Anders aber erscheint er, wenn wir ihm einen andern an die Seite stellen, Trithemius. Es gibt mancherlei merkwürdige Berührungspunkte zwischen den Werken beider Männer. Die Verfasser


  1. [246] 94) II, 175b: prout etiam Antoninus scribit.
  2. [246] 95) Er benützt ihn schon für die Gründe des Sachsenaufstandes, nennt ihn aber zuerst II, 157b zu 1073: Invenio apud Saxones eleganti stilo scriptum, dann [f. 158b] Hersfeldensis monachus. Vgl. Trithemius, Annales Hirsaugienses I, 202: Scripsit de gestis regum . . . historiarum volumen unum, insigne et iucundae lectionis und über die im 15. Jahrhundert zunächst in den Benediktinerklöstern wieder beginnende Benutzung Lamberts Holder-Egger vor der Handausgabe. Nauklerus scheint die Rezension A benutzt zu haben. Ein Katalog der Ingolstädter Universitätsbibliothek von 1508 nennt Lambert auch, siehe Prantl, Gesch. d. Ludwig-Max. Univ. I, 140129.
  3. [246] 96) II, 171b: Immo magis crederem ei, qui negotio praesens fuit et singula, ut gesta sunt, ordine perscripta literis mandavit.
  4. [247] 97) II, 160: Erat et alia inter pontificem et Henricum concertatio (nachdem vorher die Erzählung bis 1078 geführt ist).
  5. [247] 98) Joachim 69 (aus zweiter Hand). (Ich habe den Traktat nachträglich gefunden. Er ist 1500 s. 1. gedruckt und enthält, soweit ich sehe, gar keine historischen Erörterungen, sondern nur eine juristische Auseinandersetzung in den Formen der Schule.) Das Gedicht steht auch in der Ausgabe des Oratio von 1504, Bogen r. Für das nicht immer ungetrübte Verhältnis zwischen Bebel und Naukler ist der in seinen Beziehungen allerdings dunkle Brief von 1501 märz 28 (Liber hymnorum s. a. Bogen e) wichtig; vgl. Zapf, Bebel 138.
  6. [247] 99) Apologia I, Bogen c, besonders c 1b und c 2.
  7. [247] 100) Bebel, Facetiae Buch III (Bogen X, 10 der Ausgabe von 1514): Hanc ego historiam saepe audivi narrare Joannem Nauclerum Tubingensis collegii, gymnasii et demum totius urbis decus et ornamentum omnisque honestatis et probitatis normam.
  8. [247] 101) Er gibt die Diskussion darüber II, 39 und schließt: Alii aliter sentiunt, vincat veritas.