Seite:De Geschichtsauffassung 088.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

kommen.[1] Und als nun endlich der Wunsch erwacht, doch auch wie andere Städte eine Stadtgeschichte im neuen Stil zu haben, da sucht Nürnberg, wie Venedig[2], seinen Geschichtschreiber in einem Fremden. Aber Meisterlins Norimberga war anscheinend nicht so wie die Venetianer Geschichte des Sabellicus den Auftraggebern zu Dank geschrieben. Gerade weil sie zuviel von den eigentlichen Tendenzen des Gemeinwesens verriet, blieb sie geheim.[3] Den Rat gelüstet fürs erste nach keinem neuen Experiment und auch die Männer, die nun mit Enea Silvio empfinden, daß es noch keine deutsche Geschichte gebe, und mit Regiomontan Nürnberg als das Zentrum Europas betrachten, glauben nichts Besseres bieten zu können, als eben den Liber chronicarum.

Wie das Buch entstanden ist, wußte schon Trithemius, der von Schedel sagt: Comportavit et scripsit ... ex Jacobo Pergomensi et aliis historiographis, addens nonnulla maxime de rebus Germanorum, opus grande et insigne, quod continet Historias temporum.[4] Es ist also eine Bearbeitung des Jakobus und zwar, wie wir jetzt wissen, eine, bei der im eigentlich historischen Teil nicht eine Zeile Schedel selbst gehört, wie wir hinzufügen dürfen, eine, in der Schedel trotz seiner Ergänzungen aus den modernsten Autoren das Buch des Jakobus eigentlich auf den Standpunkt des Vinzenz von Beauvais zurückgeschraubt hat.

Das sieht man nicht nur daraus, daß er seine Geschichtsdarstellung wieder wie Vinzenz in eine theologisch gehaltene Erörterung über die Weltschöpfung und das jüngste Gericht einrahmt und dem eigentlichen Kuriositätenkram der mittelalterlichen Geschichte, den portenta und monstra, den Berichten von Hungersnöten, Pesten und merkwürdigen Naturereignissen aller Art, wieder überall breiten Raum gewahrt, sondern auch in dem, was er aus Jakobus fortläßt. Das sind vor allem die kurzen Biographien, mit denen Jakobus sein Buch so buntscheckig gemacht hatte, und in den längeren die Charakteristiken. Schedel merkt nicht, daß Jakobus darauf besonderen Wert gelegt, für das Altertum, wie er selbst sagt, sie sorgfältig aus dem übersetzten Plutarch exzerpiert hatte. Was Schedel dafür zusetzt, zeigt, daß ihn nur stoffliche Interessen leiten. Es führt ihn nicht tiefer in die Dinge, daß er bei Alexander dem Großen, dem Hinweis des Jakobus folgend, den Justin aufschlägt oder bei Theoderich dem Großen den Biondo; er sucht hier wie dort nur nach Tatsachen, die seine Quelle übergangen haben könnte, ja es genügt ihm, wenn er eine Ergänzung des Herrschertitels oder ähnliches findet. Davon


  1. [242] 42) Herrmann 16 ff.
  2. [242] 43) Voigt, Wiederbelebung I3, 428 ff.
  3. [242] 44) Meine Nachweise in Meisterlin 243 f.
  4. [242] 45) Opp. I, 398 vgl. 178. Über die Beziehungen zwischen Trithemius und Schedel s. die von Ruland im Serapeum XVI, 268 ff. veröffentlichten Briefe.