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Fabri getan hatten; freilich mag sich Wimpfeling auch hier nur als Ergänzer Murrhoscher Auszüge gefühlt haben.

Auch bei Wimpfeling ist es also wie bei Felix Fabri, er vermochte den großen Stoff nicht zu beherrschen. Daß er im kleineren Rahmen gutes leisten konnte, zeigt seine Geschichte der Straßburger Bischöfe,[1] seine besondere Begabung für die kulturhistorische Erfassung der Umwelt sein Schriftchen von der Buchdruckerkunst.[2] Aber beide blieben lange verborgen, während die Epitome wenigstens bei den Humanisten seinen Ruhm als Geschichtsschreiber Deutschlands begründete. –

Wimpfeling hatte gewünscht,[3] das Werk neben die modernen Geschichtsbücher zu stellen, die die Römer, Venetianer, Engländer, Ungarn, Böhmen und Franzosen hätten, also in eine Reihe mit Platina, Sabellicus, Thurocz, Enea Silvio und Robert Gaguin. Vergleichen wir ihn mit diesem, gegen den sich ja die Aufstellungen der Epitome so vielfach richteten, so trägt Wimpfeling nicht den Sieg davon.[4]

Zunächst finden wir bei Gaguin nicht, was wir nach Wimpfeling erwarten müßten, eine besondere Polemik über das Deutschtum Karls des Großen und die Ausdehnung der französischen Ostgrenze. Das ist alles ganz still, aber um so wirkungsvoller gegeben. Gaguin leugnet die deutsche Abstammung Karls garnicht, aber er vermeidet alles, was sie betonen könnte. Er berichtet nach Einhard, daß sich Karl gern der heimischen Mundart bedient habe, aber er überläßt dem Leser sich zu denken, welche das sei, er erwähnt Karls Vorliebe für Jagd und Bäder, aber er setzt bei jener – gerade wie Donato Acciauoli in der „Plutarchvita“ – hinzu: Gallorum more, wo Einhard ausdrücklich die Jagdleidenschaft der Franken erwähnt, und streicht bei dieser die Erwähnung der heißen Quellen von Aachen. Die Frage der Grenzen Frankreichs aber erledigt er durch eine harmlose Abschweifung auf das Cäsarische Gallien, die er überaus geschickt bei dem Merovinger Clodio einfügt. Indem er an dieser Stelle gleich die moderne Diözesaneinteilung dieses Gebietes heranzieht, erscheinen ungezwungen auch die Bistümer Mainz, Trier und Cöln auf gallischem Boden. – An Kritik ist er den Elsässern erheblich überlegen, das zeigt er bei der Trojasage der Gesta Francorum ebenso, wie bei den Nachrichten Pseudoturpins über die Kreuzfahrt Karls des Großen, wenn er sich auch hat vorwerfen lassen müssen, das Königreich von Yvetot hingenommen zu haben. Er übertrifft sie aber auch an Unbefangenheit, das sieht man, wenn man sein Urteil über die Schlacht bei


  1. [237] 114) Quellenuntersuchung und Würdigung bei Bickel, Wimpfeling als Historiker 8–32.
  2. [237] 115) Von Janssen, Gesch. d. dt. Volkes Bd. I benutzt, jetzt verloren.
  3. [237] 116) Vorrede zur Epitome.
  4. [237] 117) Vgl. für Gaguin die oben zitierte Neuausgabe der Briefe und Reden von Thuasne, mit biographischer Einleitung und Kommentar, beides gleich ausgezeichnet und auch für deutschen Humanismus wichtig. Für das Compendium super Francorum gestis benütze ich die Ausgabe Paris 1504. S. über die Änderungen in den Auflagen Gaguins Vorrede und Thuasne, Gaguin passim.