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in Bologna gehalten hatte[1], und der berühmteren, mit der der Hofdichter Pius’ II., Antonio Campano, auf dem Regensburger Christentage von 1471 die Deutschen zum Türkenkriege aufzustacheln gesucht hatte. Für Karl IV., Wenzel und Sigismund endlich ist Enea Silvio Grundlage. Er hat vor allem auch das Urteil über diese drei Herrscher vorgezeichnet.

Also drei Italiener, die den Aufzug, zwei andere, die den Einschlag geben. Und welche sind dies! Biondo, der doch die Größe Friedrichs II. versteht, mag noch hingehen, ebenso Beroaldo, der nicht nur im Federgefecht mit Thomas Wolff „de nomine imperatorio“[2], sondern auch in einer Rede, die er 1486 zu Brügge an Friedrich und Maximilian gehalten hatte, in der Widmung seiner Cäsarausgabe an Ernst von Schleinitz, in seiner Rede de foelicitate an Markgraf Jakob von Baden und den angehängten von Wimpfeling benutzten Schlußversen sich als aufrichtiger Freund deutschen Wesens gezeigt hatte. Aber Campano! Wimpfeling nennt ihn den Feind und Verkleinerer der Deutschen, er zitiert ihn gerade deshalb, da er, wie alle Humanisten dieser Zeit, ein Lob des Auslandes bei allem vorgegebenen Heimatsstolze besonders erstrebt.[3] Aber er zitiert ihn nicht nur, er schreibt ihn, ohne ihn zu nennen, für große Stücke seiner Arbeit aus. Und das, trotzdem er wohl in derselben Ausgabe, in der er die Rede fand[4], die Briefe lesen konnte, in denen dieser ebenso begabte wie unverschämte Italiener den Freunden daheim seine deutschen Eindrücke geschildert hatte. „Compono me in adventum Caesaris, habiturus orationem, qualem Italia legat, Germania non capiat. Incredibilis hic est ingeniorum barbaries, rarissimi norunt litteras, nulli elegantiam!“ Und nicht weit davon steht das Epigramm, das Campano bei seiner Rückkehr aus Deutschland gedichtet hatte. Er hatte es da für passend gehalten, Deutschland noch etwas anderes als den Rücken zuzukehren.[5]

Aber freilich, Campano hat in gleicher Weise noch späteren und kritischeren Geistern wie z. B. Bebel und Irenicus gedient und für Wimpfeling hatte er noch eine besondere Bedeutung. Denn in der Rede war auch das erste Kulturbild Germaniens nach Tacitus entworfen, an der Hand von Campano und Beroaldo hat Wimpfeling diesen Autor benutzen gelernt.[6] Campano hatte sodann auch den Gedanken des Enea Silvio weitergedacht, daß die Menschenmassen der Germanen der Völkerdünger Europas geworden seien. Er nennt italienische Fürstenhäuser, die ihren Stammbaum auf deutsche zurückführen; schon Meisterlin hatte das den deutschen Adeligen vorgehalten[7],

  1. [236] 99) Nicht auf Albertus Magnus, wie Bickel 57 sagt. Er hat die Rede nicht gesehen, wie seine Bemerkung S. 44 zu Kap. 6 zeigt (die Stelle ist aus Campano). Die Rede steht nicht in allen Ausgaben der Werke des Beroaldus, aber z. B. in der Basel 1519.
  2. [236] 100) Abgedruckt mit der Epitome.
  3. [236] 101) Ein Beispiel Thuasne, Gaguin I, 101³. Vgl. Schmidt, Hist. litt. II, 76.
  4. [236] 102) Es gibt auch einen Einzeldruck, aber aus diesem kann Wimpfeling nicht zu seinem Urteil über Campano gelangt sein. Er hat übrigens später selbst eine andere Rede Campanos herausgegeben und die Briefe als Stilmuster seinen Schülern empfohlen. S. Schmidt l. c. I, 63, 146; Knepper, Wimpfeling 218.
  5. [236] 103) Epigrammata lib. 8:

         In reditu e Germania.
    Linquo Tridentinas Alpes et Rethica saxa
    Nunquam oculis posthac aspicienda meis.
    Accipe Campani sterilis Germania terga,
    Accipe nudatas barbara terra nates.

  6. [236] 104) Näheres hierüber in besonderer Untersuchung.
  7. [236] 105) Meine Arbeit über ihn S. 301.