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Leser und auch Übersetzer[1], in den Reisebeschreibungen des heiligen Landes nimmt der historische Teil eine besonders wichtige Stelle ein.[2]

Von all dem hat Brants Buch etwas. Die guten Könige sind die, welche die Christenheit vor den Ungläubigen geschützt haben, und man sieht wohl, wie sich ihm unter diesem Gesichtspunkt auch die deutsche Geschichte ordnet. Karl der Große bekommt die Kaiserkrone, „um die Kirche und das Imperium zugleich“, die im Orient verfallen sind, im Occident zu errichten, sein Kreuzzug wird nach der Legende getreulich berichtet; Otto verdient sich das Kaisertum durch seinen Ungarnsieg[3], Friedrich Barbarossas Ruhm beruht nicht zuletzt auf seinem Kreuzzug, während Heinrich IV. vor allem deshalb als ein ganz verruchter Mensch erscheint, weil er die Fürsten durch Beschäftigung in inneren Kriegen von dem glorreichen Zug ins heilige Land abhielt.[4]

Das ist also etwa der Standpunkt Fabris, nur geschichtlich besser begründet. Allerdings nicht gerade auf tiefen Quellenforschungen, aber doch auf guten Werken der Neueren, zumal der Italiener, wie der Geschichte Venedigs des Sabellicus, den Papstbiographien des Platina, den großen Türkenreden des Enea Silvio.[5] Diese müssen dann auch Stoff und Form für den Schluß abgeben, in dem Maximilian feurig ermahnt wird, sich den guten Königen anzuschließen und an der Spitze des St. Georgsordens ins heilige Land zu ziehen.[6]

Der deutsche Kaiser als Vorkämpfer der Christenheit mit ritterlichen Scharen gegen die Türken ziehend und damit als rechter Herr der Welt sich erweisend – das ist Brants Ideal sein Leben lang geblieben.[7] 1498 läßt er der zweiten Ausgabe von Jakob Lochers Latinisierung seines Narrenschiffes einen lateinischen Gedichtanhang folgen, der, wenn man so sagen darf, ein Stück seiner Geschichtsphilosophie enthält.[8] Hat das Narrenschiff die Torheit der einzelnen Stände gegeißelt, so folgt jetzt die tiefsinnige Frage, warum denn so viel Torheit auf der Welt sei. Brant beantwortet sie damit, daß die rechte Ordnung verrückt sei. Im alten Bunde seit dem Sündenfall, so daß kein Reich lange hat bestehen können, im neuen, seit die Ordnung Konstantins, durch die Christus der Herr geworden und jedes weltliche Szepter vom Papst verliehen ist, gestört wird. Das ist der Pessimismus des Satyrikers, der nur für sein Deutschland dem Optimismus des Patrioten weicht. Denn das deutsche Reich ruht, wie es sein soll, auf Kaiser, Kurfürsten und Reichstagen, und wenn er bei den letzteren, einem alten Witzwort vom Basler Konzil, das

  1. [234] 68) Z. B. Steinhöwel, über dessen lange vermißte Chronik von Herzog Gotfrieds Heerfahrt jetzt Qn. u. Forsch, z. Sprach- u. Kulturgesch. d. germ. Völker Bd. XCVI. zu vergleichen ist.
  2. [234] 69) So bei Fabri, der aber einen Teil seiner historischen Ausführungen aus Bernhard Breidenbach hat.
  3. [234] 70) f. 72): Cepitque tum Germanorum nomen, quod antea tum Italis, tum Gallis contemptui habebatur, exsurgere totiusque orbis habenas moderari.
  4. [234] 71) Benutzt ist Platina, Vitae pontificum, Urban II.
  5. [234] 73) Schmidt I, 248 f.
  6. [234] 74) S. die Widmung an Maximilian, auch den Titelholzschnitt.
  7. [234] 75) Die Ausführungen Schmidts (I, 291), als ob Brant nach 1504 einen Umschwung zu mehr republikanischer Gesinnung durchgemacht habe, hat Knepper (Nation. Gedanke 84) mit Recht bestritten.
  8. [234] 76) Abdruck von Zarncke hinter seiner Ausgabe des Narrenschiffs 121 ff. Es sind die dann auch eigens in den Varia carmina erschienenen Stücke.