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Deutschtum erschienen sein, der sich durch all seine historischen Werke zieht. Trithemius ist viel zu sehr Mönch, um nicht Heinrich IV., Friedrich I. und II., Ludwig den Bayern in ihrem Kampf mit der Kurie zu verdammen. Wenn er in diesem Punkte je geschwankt hat[1], so haben ihn die Erfahrungen des eigenen Lebens immer wieder auf die Seite der kirchlichen Autorität gedrängt. Aber die menschliche Größe der Kaiser, wie Heinrichs IV. und selbst Friedrichs II. ergreift ihn doch[2], und wenn er bei Friedrich Barbarossa auch nicht, wie in der astrologischen Geschichtsperiodisierung für Maximilian, bloß von seinem Kampf mit den „römischen Großen“ reden kann, so möchte er doch mancherlei von seinen Verirrungen auf schlechte Berater schieben.[3] In seinen staatsrechtlichen Anschauungen ist Trithemius unsicher, wie die meisten dieser Vermittler. Ein politisches Verständnis für die kurfürstliche Neutralität von 1438 hat er ebenso wenig wie für die pragmatische Sanktion der Franzosen. Und als ihn Maximilian 1511 wegen der Beschickung des Konziliabulum von Pisa befragt, rät er eindringlich ab, denn der Kaiser sei doch nur Kaiser als Schutzherr der Kirche, sonst hätte diese ja das von Konstantin erhaltene Imperium sich selbst bewahren können.[4] Scheint es ihm zweifelhaft, ob der Papst Heinrich IV. zu Recht abgesetzt habe, so steht er doch weit weg von Dante und Occam, die, wie er meint, die Autorität des Papstes auch im Geistlichen ganz vernichten und sagen, daß das Imperium der Kirche gar nicht unterworfen sei.[5]

Nach ihm ruhen beide Gewalten in eigenen Rechten: das Papsttum seit Hadrian III., wo festgesetzt worden ist, daß die Papstwahl von jedem Einfluß, auch dem der Kaiser frei sein müsse, das Kaisertum seit Gregor V., der, wie er meint, bestimmt habe, daß die Würde des Imperiums beständig bei den Deutschen bleiben müsse, und wer von den deutschen Fürsten gewählt werde, ohne Weigerung vom Papst zu krönen sei. – „Quae constitutio iam per annos quattuordecim et quingentos ad hunc diem usque servata est.“[6]


„Me sola Hirsaugia gaudet“ hatte Trithemius unter den ersten Teil seiner Annalen geschrieben. Sein letztes und bedeutendstes Werk schrieb er für die Mönche[7], und bei ihnen ist es fast zwei Jahrhunderte vergraben geblieben. Trotz Meginfried und Hunibald müssen wir das bedauern. Wer verfügte im damaligen Deutschland über eine auch nur annähernd gleiche Kenntnis der echten Quellen deutscher Geschichte! Wer konnte Rather von Verona, Lambert, Benzo von Alba, Petrus Damiani charakterisieren und einordnen, wie er es getan hatte?

  1. [232] 47) Dafür sind kleine Abweichungen im Urteil zwischen dem Chronicon Sponheimense, seinem ersten Werk, und dem Chronicon Hirsaugiense, der Vorarbeit der Annalen, interessant; vgl. Freher II, 280 mit 193 (Konradin) und 320 mit 224 (Ludwig d. Baier). Das günstige Urteil über Heimburg (Annales Hirsaugienses II, 459) beruht offenbar auf Wimpfelings Zusatz zum Catalogus illustrium virorum.
  2. [232] 48) Annales Hirsaugienses I, 341, 587. Zum Urteil über Heinrich IV. auch den Brief, in dem Trithemius 1506 die Kanonisation Bennos von Meißen vom Papste erbittet bei Raynald, Annales ecclesiastici ad a. 1506 nr. 42.
  3. [232] 49) l. c. I, 434, vgl. 541 über Petrus de Vineis (ähnlich schon in den Katalogen).
  4. [232] 50) l. c. II, 403, 445, 669.
  5. [233] 51) l. c. I, 342; II, 184 (beruht auf Antoninus Florentinus, Chronicon Tit. XXI, § 2).
  6. [233] 52) I, 37, 138.
  7. [233] 53) Die Schlußschrift II, 691 wird man kaum dagegen geltend machen können. – Konrad Pellikan erwähnt in seinem Chronikon [ed. Riggenbach Basel 1877] S. 447 ad annum 1512: Legi magnam partem historiae Hirsaugiensis Jo. Trithemii, olim abbatis Spanheimensis, quem ibidem olim videram cum F. Paulo Scriptoris in quadam visitatione eiusdem monasterii anno 1496 sub abbate Blasio; erat vir eximiae staturae, integrae tunc aetatis et humanus, minime fastuosus.