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Stelle. Denn aus ihm erwächst der Liber de luminaribus sive de illustribus viris Germaniae.[1] Nicht ohne äußere Anregung. Jakob Wimpfeling ist es, der dem gelehrten Abte nahelegt, aus dem Dickicht der 900 Namen des Katalogs die Deutschen herauszulesen, damit man sehe, was schon Hieronymus und Enea Silvio andeuten, Deutschland sei nicht immer das kulturlose Land des Tacitus geblieben, es habe längst eine, freilich vergessene, Kulturblüte gehabt.[2]

Die Anregung fällt bei Trithemius auf guten Boden. Er hatte schon in seinem Katalog, wo er nur immer deutsche Abstammung vermuten konnte, sein „natione Teutonicus“ hinzugesetzt, hatte bei Hrabanus Maurus bemerkt, daß Italien nicht seinesgleichen hervorgebracht habe, und den Verlust der Zeugnisse über die alte Größe der Deutschen, insbesondere des Plinius über die deutschen Kriege, empfindet er wie einst Meisterlin und zu seiner Zeit so viele.[3]

So entsteht das neue Buch. Der Titel täuscht wie der des Katalogs. Wüßten wir nicht, daß es nur ein wenig veränderter und dürftig vermehrter Auszug aus diesem ist, so müßten wir uns, wie dort über die Fülle, so hier über den Mangel wundern. Daß z. B. keiner von den Malern und Kupferstechern hier Aufnahme gefunden hat, die Wimpfeling in seiner Lobschrift auf Deutschland so wohl zu verwerten wußte! – Darüber hat sich Trithemius keine Gedanken gemacht, er gab nur einen Auszug.

Aber die Frage nach den Grenzen seines geistigen Deutschland mußte er sich vorlegen. Er beantwortet sie, wie Enea Silvio: scriptores omnes in Germanos posui, quos fuisse Theutonicos inveni. Denn auch die aus dem Moselland und aus Trier sind nach Sitten und Sprache Deutsche, wenn sie auch einen großen Teil der alten Gallia Belgica bewohnen.[4]

Von den Zusätzen, die das neue Buch zum alten Katalog bringt, ist nur einer wichtig, der Artikel über Karl den Großen. Damit aber kommt der Mittelpunkt in den Kreis, der für Trithemius der allerwichtigste ist, von dem seine historische Auffassung der deutschen Vorzeit vor allem ausgeht.

Henri Pirenne hat einmal[5] gesagt, die Landschaften am Niederrhein, die das heutige Belgien bilden, haben stets einen undefinierbaren karolingischen Charakter bewahrt, der sie von den andern Staaten Europas unterscheidet. Man denkt bei Trithemius an diese Worte, obgleich er nicht diesen Landschaften entstammt. Er lebt in dieser karolingischen Kultur, ihrem Kreise entstammen seine wichtigsten Entdeckungen, die Briefe des Bonifatius und Lull, die Fuldaer

  1. [230] 31) Zum Titel vgl. Honorius Augustodunensis, De luminaribus ecclesiae.
  2. [230] 32) Wimpfeling an Trithemius, Speier 1492 sept. 17 bei Freher I, 408.
  3. [230] 33) Trithemius an Wimpfeling, Sponheim 1491 febr. 8 l. c. 122.
  4. [230] 34) Praefatio l. c. 123.
  5. [230] 35) Geschichte Belgiens, deutsch v. Arnheim I, 37.