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aber andere Bücher, die damals dem Bürgertum merkwürdig zu werden beginnen. Das sind antikisch gewandete Fabelstoffe, Ausläufer des antiken Romans, vor allem die Alexandergeschichte des Pseudokallisthenes und das Trojanerbuch des Guido von Columna. Sie werden übersetzt, auch wohl, dem Zeitgeschmack folgend, mit allerlei neuen Abenteuern bereichert und gern mit lokalhistorischen Notizen zweifelhafter Gelehrsamkeit versehen. Nach einer solchen Quelle erklärt Wahraus Augsburg für eine Gründung Trojas wie Trier.

Im Guido von Columna liest um dieselbe Zeit auch ein stolzer Patrizier Peter Egen. Vielleicht nach dem Namen des ersten Meerschiffes, der Argo, den er da findet, nennt er sich 1442 Peter von Argun. Er ist noch mehr als Wahraus ein Liebhaber der Geschichte seiner Vaterstadt und kennt auch lateinische Quellen, darunter eine, die von der „Varusschlacht bei Augsburg“ lebendig zu erzählen wußte. Das will er seinen Mitbürgern bekannt machen, einmal, indem er den Maler Jörg Ammann beauftragt, ihm danach Bilder an sein neues Haus zu malen, sodann, indem er das Buch einem fremden Geistlichen zum Transferieren gibt. Dieser, der „Küchlin“, tut andere Gelehrsamkeit dazu, um auch gleich den trojanischen Ursprung Augsburgs festzulegen. Er schöpft sie aus einem vielgelesenen Werk der Publizistik, dem Buch des Jordanus von Osnabrück vom römischen Reich, und so entsteht ein Reimgedicht, das den Augsburgern des 15. Jahrhunderts etwa bot, was das Annolied den Kölnern des 12. geschaffen hatte.

In diesem Augenblick greift der Humanismus ein. Sigismund Gossembrot, in dessen Bibliothek längst Werke von Petrarka und Bruni und das Neueste von Enea Silvio stand, findet keine Genüge an den „deutschen Reimen“, er will eine wirkliche Gründungsgeschichte Augsburgs und zwar ein Werk im neuen Stil. Auf sein Betreiben schreibt 1456 in Kloster Ulrich und Afra der Mönch Sigismund Meisterlin seine Chronographia Augustensium.

Sie zerfällt in 4 Bücher. Das erste widerlegt die Trojanerfabel des Küchlin, das zweite gibt Meisterlins eigene Gründungshypothese: Augsburg ist eine Gründung der Amazonen und hat also lange vor Trojas Zerstörung gestanden, das dritte erzählt hauptsächlich die Varusschlacht in breiter Ausschmückung, das vierte, erst nachträglich beigefügt, enthält eine fast annalistisch aus den Quellen zusammengetragene Stadtgeschichte von Konstantin dem Großen bis auf die Gegenwart mit eingehender Behandlung der Heiligen Afra und Ulrich.

Das Ergebnis der Arbeit – die Ersetzung einer Gründungsfabel