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jungen Jakob Wimpfeling bemerken, die Taten seines Herrn mit gutgemeinten Versen. Er macht wichtige, ja kostbare Funde in den Klosterbibliotheken, wie in der altberühmten von Lorsch. Er kennt literarische Seltenheiten, wie den Sextus Rufus oder die kleinen römischen Kaiserbiographien, dann Neuigkeiten, wie die Böhmische Geschichte Enea Silvios. Aber er weiß mit all dem gar wenig anzufangen. Die Böhmische Geschichte ist für ihn nicht mehr als die Bayrische Fürstenchronik des Andreas von Regensburg, die Kaiserbiographien sind eben auch nur eine „Chronica Sparciana“, wie Martin von Troppau eine Martiana. Daß er beide im selben Atem unter seinen Quellen nennt, zeigt seinen Horizont. Er wäre vielleicht kein übler Chronist und Erzähler geworden, das sehen wir aus seiner so vielfach merkwürdigen Beschreibung des Fichtelgebirgs oder aus der Erzählung der Trierer Zusammenkunft von 1473. Aber die „Wissenschaft“ und der neue Stil haben ihn gänzlich verdorben, und so ist diese erste humanistische deutsche Fürstengeschichte ein zwischen Weltchronik, Landesgeschichte und Biographie haltlos schwankendes Konglomerat von Zeitungen und halb verstandenen oder schlecht verwendeten Lesefrüchten. –

Daß dies so ist, liegt doch nur zum Teil an Matthias selbst. Das humanistische Vagantentum ist in diesen seinen Anfängen schon nach der Unordentlichkeit seiner Lebensführung und der Mangelhaftigkeit seiner Bildung unfähig zu eigentlich geschichtlichen Leistungen. Und auch die Männer, die bis gegen Ende des Jahrhunderts aus dieser Gruppe noch zu nennen wären, wie etwa Hermann v. d. Busche, schaffen vielleicht da und dort ein humanistisches Lobgedicht mit geschichtlichen Flittern verbrämt, aber nicht mehr.

Wollen wir solidere historische Leistungen finden, so müssen wir uns dahin wenden, wo sich die Einsicht in die neuen Forderungen der Darstellung mit der Möglichkeit verbindet, auf eine geschichtliche Überlieferung von Wert zurückzugreifen. Das sind zunächst die reformierten Klöster.

Die Konzilsbewegung des 15. Jahrhunderts, welche die reformatio ecclesiae weder in capite noch in membris durchsetzen konnte, hatte doch in der Kirche selbst Kräfte ausgelöst, die ein neues Leben zu verheißen schienen. Die bedeutendsten Regungen zeigen sich im Benediktinerorden.[1] 1409 legt der venezianische Patrizier Lodovico Barbo den Grund zu der Reform in Italien durch die Stiftung der Kongregation von St. Justina in Padua. Seit der Mitte des Jahrhunderts wirkt sie auch nach Deutschland hinüber, ihr zur Seite die wenig

  1. [229] 7) S. den Artikel im Katholik 1859/60: Die Kongregation v. St. Justina in Padua, ferner Dittrich im HJb. der Görresgesellschaft V, 322.