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braucht worden, es dürfe nicht zu recht bestehen, was die Furcht erzwungen habe. Wir aber sind überzeugt, daß die Waffen, nicht die Gesetze Königsthrone verschaffen.“[1] Es sieht fast aus, als habe dem Schreiber schon bei dem Platosprüchlein des Anfangs dieser Schluß im Sinne gelegen.

Wie Enea nun freilich im einzelnen gearbeitet hat, wird wohl immer rätselhaft bleiben. Es ist unmöglich, daß er eine solche Fülle von Einzelheiten, zumal für die ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts, aus der Erinnerung aufzeichnete, anderseits fällt es bei den zahlreichen Unrichtigkeiten der Darstellung[2] schwer, an eine schriftliche Vorlage zu glauben, abgesehen davon, daß uns keine Quelle erhalten ist, die wir als solche ansprechen könnten. Klarer ist, wie sich der historische Stoff in Eneas Kopfe gestaltete. Wenn dem Chronisten alten Schlages das einzelne Ereignis vor allem wissens- und aufzeichnenswert erscheint, so interessieren Enea zunächst die handelnden Persönlichkeiten und bei diesen wieder treffende Worte oder Anekdoten, die ihr Wesen wie in einem Auszug erscheinen lassen.

Als König Ladislaus nach Böhmen aufbricht, hört Enea von einigen sagen, die Böhmen würden ihn nicht eher loslassen, als bis er böhmisch sprechen und Bier trinken gelernt habe. Das gefällt ihm, und er schreibt es Ende 1453 gleich zweimal nach Italien.[3] Daß Ziska sterbend bestimmt habe, man solle mit seiner Haut eine Trommel beziehen, deren Schall die Feinde schrecken werde, hält er ebenfalls wiederholter Erwähnung für wert.[4] Solche Anekdoten sind dann der Kern, um den sich andere Vorstellungen kristallisieren, ihn nicht selten bis zur Unkenntlichkeit verändernd. Wie oft können wir nicht Enea aus sich selbst widerlegen! Man mag es aus dem verschiedenen Zweck der Aufzeichnungen erklären, wenn die Charakteristik des böhmischen Volkes in dem Bericht an Papst Calixt ganz anders ausfällt, als in der Einleitung zur Böhmischen Geschichte. Aber was bewog Enea, die Ablehnung der böhmischen Krone durch Herzog Albrecht III. von Bayern als eine Tat reinen Edelmuts darzustellen, da er doch schon in seinem Buch von den berühmten Männern die sehr realen Beweggründe des Erwählten dargelegt hatte?[5] Gewiß nichts anderes als der Wunsch, hier einmal an einem Beispiel das humanistische Fürstenideal vorzuführen, von dem man besonders am Hofe von Neapel so viel sprach.

Wie Eneas historische Phantasie weiterarbeitete, das können wir besonders an seinem Charakterbild der zweiten Gemahlin König Sigismunds, Barbara von Cilli, ersehen. Sie hat ihn sehr interessiert, er

  1. [228] 59) Über den gleichlautenden Abschluß der Geschichte Friedrichs III. s, Ilgen LXIX.
  2. [228] 60) Verzeichnet bei Palacky, Würdigung 239 ff. und in seiner Geschichte von Böhmen. Für einzelne Punkte dürfte sich das Ergebnis bei einer Nachprüfung günstiger stellen, s. z. B. Bachmann, Böhmen II, 363², 380² und meine Bemerkungen im Gregor Heimburg 855, 1351 über andere Berichte Eneas.
  3. [228] 61) S. die Briefe bei A. Weiß, Aeneas Sylvius Piccolomini 217 u. 229.
  4. [228] 62) Hist. Bohemica cap. 60 und Commentarii in Antonium Panormitam III, 23 (Opp. 487).
  5. [228] 63) Hist. Bohemica cap. 57 und De viris illustribus (BLV Stuttgart I, 55): Si regnum more prisco dives fuisset, forsitan aliter respondisset.