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zwischen Altertumsforschung und Kirchenreform klarer geworden waren, als irgend einem Italiener, Nikolaus von Cusa sein Buch „Von der wahren Eintracht“[1] und hier wird zum erstenmal mit dürren Worten die Urkunde als Fälschung bezeichnet und mit solider, aus dem Studium der Kirchenväter und Konzilsakten erwachsener Gelehrsamkeit als solche erwiesen.

Sieben Jahre später folgt Valla. Es ist nicht wahrscheinlich, daß er die Schrift des Deutschen gekannt hat.[2] Aber wenn auch, so hätte er ihm nur den geringsten Teil seiner Gründe entlehnen, sicherlich ihn nicht als Bundesgenossen brauchen können. Denn Cusa bespricht die Sache nur, weil ihn die Urkunde in seinen naturrechtlichen Theorien von der Begründung aller Herrschaft auf die Zustimmung der Beherrschten hindert, er schiebt das falsum ruhig bei Seite, ohne nach einem falsarius zu suchen, und er unterwirft schließlich, wie jeder andre geistlich denkende Mensch des Mittelalters, seine Meinung der Entscheidung des Konzils. Valla aber führt einen persönlichen Kampf mit dem Papsttum. Er will beweisen, daß man ebenso unwissend in der Psychologie der Menschen, wie in der Geschichte, wie vor allem in der lateinischen Sprache sein muß, um diese abgeschmackte Fabel für wahr zu halten. Betrachten wir heute seine Beweisführung, besonders die Angriffe auf den Text der Urkunde genauer, so mutet es uns fast komisch an zu sehen, wie hier ein richtiges Ergebnis nach falscher Methode gewonnen wird.[3] Denn wenn Valla die Diktion der Urkunde an dem Maßstab des reinen Lateins maß, so war er nicht kritischer als die Fälscher und die Verteidiger der Fälschung. Wie diese an die Ewigkeit und Unveränderlichkeit der päpstlichen Machtansprüche, so glaubte Valla an die des lateinischen Stils. Die Bedeutung des Angriffs aber wird durch solche Erwägungen nicht gemindert. Zum erstenmal wird hier ein Dokument, das die Autorität der Kirche deckte, mit philologischer Kritik angegriffen und vernichtet.[4]

Es war ein Punkt, wo die historische Kritik direkt in das Leben eingreifen konnte. Vielleicht, daß sie es in der Verschwörung des Stefano Porcaro getan hat.[5] Aber ein weiteres Echo fand Vallas Schrift nicht, nur zahlreiche Gegenschriften erschienen. Sie fand auch keine Nachfolge bei den Humanisten Italiens, und Valla selbst war nicht ein Mensch, der aus der Tiefe wissenschaftlicher oder seelischer Bedrängnis zu seinen Angriffen kam, kein „Fünklein von der alten Kirche“, wie Luther meinte, sondern ein Gladiator, den zunächst die Freude am Waffenspiel, aber auch nicht selten eigene Gefahr[6] oder

  1. [226] 38) De concordantia catholica. Literatur bei Lorenz II, 379.
  2. [226] 39) Eine sachliche, aber keine formelle Übereinstimmung findet sich nur an einer Stelle (Besprechung der Sylvesterlegende im Text des Dekretum Gratiani und ihrer Empfehlung als Lektüre durch Papst Gelasius). Vermittelt kann die Kenntnis durch das Basler Konzil natürlich leicht sein. Über persönliche Beziehungen zwischen Valla und Gusa in späteren Jahren s. Sabbadini in den Pubblicazioni del R. istituto superiore in Firenze. Filosofia 1891.
  3. [226] 40) Man erkennt dies gut, wenn man neben die alte Untersuchung Vallas eine neuere, etwa die Grauerts im HJb. d. Görresgesellschaft Bd. III ff. (1882–84) legt.
  4. [226] 41) Vielleicht hat auch Cusa einen solchen Beweis führen wollen, s. De conc. cath. III, 2: Ego etiam ad longum hanc scripturam in quodam libro inveni, quae multo plus continet quam ea, quae in decreto ponitur loco praeallegato, et diligenter ea examinans repperi ex ipsamet scriptura argumenta manifesta confictionis et falsitatis, quae pronunc longum et inutile foret his inserere.
  5. [227] 42) S. Pastor, Gesch. d. Päpste I², 17, 21, 463. 43) Dafür ist charakteristisch die bei Wolff 64 erzählte Geschichte. 44) Voigts große Biographie steht noch heute nach 50 Jahren in allem Wesentlichen aufrecht (im einzelnen muß man natürlich Korrekturen, wie sie Pastor und vielfach Gaspary bieten, berücksichtigen), insbesondere hat er für die Würdigung Eneas als Geschichtschreiber bereits die Bahnen gewiesen, von denen ein Nachfolger nicht ohne Schaden abweicht. Gute Einzelbemerkungen bei Ilgen vor seiner Übersetzung der Geschichte Friedrichs III. (Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, 15. Jh., 2. Bd.) 45) Kultur der Renaissance II, 53. 46) S. Voigt, Enea I, 352 und Meusel, Enea Silvio als Publizist. Die erste, bei Meusel und Voigt nicht erwähnte Ausgabe des Traktats erschien 1535 in Mainz. Der Herausgeber ist der bekannte Friedrich Nausea. Er erzählt in der interessanten Vorrede, wie er das Buch bei einem Wiener Bürger gefunden und nach der Handschrift emendiert und mit Kapiteleinteilung herausgegeben habe. Eine weitere Ausgabe veranstaltet 1559 Johann Herold in Basel mit anderen staatsrechtlichen Schriften (Waitz in der Abh. der Göttinger Gesellschaft der Wissensch. XIV, 36). 47) Erster Druck 1475. Ich zitiere nach der Basler Ausgabe der Opera von 1551. 48) Voigt, Enea I, 243. 49) S. den Brief aus Graz in der Ed. Basilea Nr. 13, bei Voigt, Die Briefe des Aeneas Sylvius im AÖG. XVI, Nr. 45. Der ebenda Nr. 138 abgedruckte Brief von 1445 enthält eine Anekdote über Primislaus, die Hist. Bohemica cap. 6 wieder verwertet ist. Der Bericht an Carvajal Ed. Basilea Nr. 130 = Voigt Nr. 190. 50) Gedruckt bei Mansi, Pii II orationes I, 352 ff.; vgl. Voigt, Enea II, 165. 51) Cap. 32 über Karl IV.: Claras profecto imperator, nisi Bohemii regni magis quam Romani imperii quaesivisset [emolumenta]. Die cap. 27 geschilderte Szene auf der Insel Kaumberg mit der Belehnung Ottokars im Zelte, die den Höhepunkt von Grillparzers großartigem drittem Akt bildet, scheint in der Tat, wie Palacky, Würdigung der alten böhmischen Geschichtschreiber 1869 S. 240 bemerkt, bei Enea zuerst zu stehen. Die Strafrede der Königin steht auch in der Steirischen Reimchronik, doch ist der Inhalt charakteristisch verschieden. Enea beruft sich selbst auf „steirische Tradition“, aber schwerlich schriftliche. Eine Anekdote zur Marchfeldschlacht steht auch in den Commentarii in Antonium Panormitam III, 45 (Opp. 490). 52) Hist. Bohemica, Praefatio: In qua [historia] etsi vetera digna sunt memoria, illustriora tamen nova existimo, quae cum certa, tum admirabilia sunt. – Ibid. cap. 35: Sub hoc rege [sc. Wenceslao] nostra demum memoria, . . . perfida Hussitarum insania ortum habuit, cuius et originem et progressum hoc loco persequi animus est . . . 53) Der Vergleich mit der ersten Vorrede zur Geschichte Friedrichs III. (Ilgen S. 3–5) ist lehrreich. 54) Für die Böhmen mag Laurenz von Brčezowa dienen, der (Fontes rer. Austriacarum Abt. I, Bd. II, 323) als eifriger Kalixtiner nur die Kelchbewegung nennt, für die deutschen Thomas Ebendorfer, der (Chron. Austriae bei Pez, SS. rer. Austriacarum II, 846) das nationale Element gar nicht erwähnt und seine Darstellung durch eine törichte Hereinziehung der Adamiten und Ziskas zerreißt.
  6. [227] 43) Dafür ist charakteristisch die bei Wolff 64 erzählte Geschichte.