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im neuen Sinn geeignet waren[1], wie Johann von Marignola.

Freilich braucht Karl selbst mit all dem innerlich dem Humanismus nicht näher zu stehen, wie der Staufer Friedrich I. der gelehrten Zisterzienserbildung Ottos von Freising, der ja auch von seinem kaiserlichen Neffen für sein zweites Geschichtswerk ein Stück Autobiographie erbeten und erhalten hatte. Wie wir uns als Geistesverwandte des Staufers lieber Heinrich von Veldeke und Hartmann von Aue denken, so mag Karl IV. trotz allem doch besser zu dem Dominikaner Heinrich von Herford gestellt werden, dem er ein ehrendes Grabmal errichten ließ, als zu Cola di Rienzi und Petrarka, mit denen er sich unterredete und Briefe wechselte. –

Was sonst etwa von humanistischen Keimen am Hofe Karls aufgegangen war, das verschwand in den wütenden theologischen Kämpfen unter seinem Nachfolger und in den Stürmen der Hussitenkriege. Ob es gelingen wird, doch noch Fäden zu finden, die jene Vorläufer des Humanismus mit den Frühhumanisten des nächsten Jahrhunderts verbinden, muß vorerst dahingestellt bleiben.[2] Die humanistische Geschichtschreibung in Deutschland ist erst aus neuer Beeinflussung durch Italien fast 100 Jahre später erwachsen.


Als sie begann, trug auch der italienische Humanismus bereits ein anderes Gesicht, als zur Zeit Petrarkas. Wäre es nach diesem gegangen, so wären die Humanisten vielleicht ein Bund weltlicher Anachoreten geworden, in ihren Bestrebungen geteilt zwischen der Anbetung des Ciceronianischen Stils und dem Augustinischen Christentum. Zur Welt steht Petrarka wie Rousseau: er lehnt sie ab, so wie sie ist, um eben dadurch um so mächtiger auf sie zu wirken. Aber nach ihm kommen die Jünger, Boccaccio an der Spitze, die die Goldbarren aus dem Nachlaß des Meisters in kleine Münze schlagen, aber auch in wichtigen Punkten das Erbteil vermehren. Einer der wichtigsten dieser Punkte ist ihre Auffassung vom Staate. Nirgendwo war Petrarka mehr mittelalterlich und mehr phantastisch gewesen. Steht er auch persönlich ganz anders zu Karl IV., wie Dante und Mussato zu Heinrich VII., seine Vorstellungen von dem römisch-deutschen Weltreich sind von ebenso bodenloser Idealität, und es gibt zwischen ihnen und Petrarkas italienischem Patriotismus sowenig eine Vermittelung, wie zwischen Mussatos Paduanertum und seinen Phantasien von der Wahl des Kaisers durch die göttliche Weisheit in Person.

  1. [223] 9) Siehe über sie Friedjung 201 ff. und Bachmann l. c.
  2. [223] 10) Auch Burdachs Reisebericht in den Abh. d. preuß. Akademie 1903 eröffnet hier zunächst nur unsichere Aussichten.