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ein Vogel Strauß. Das glitzernde Wasser rieselte in Bächlein an ihm nieder, und Büschel von großen Seepflanzen wuchsen dem Tier auf dem Rücken. Es sah aus, als habe es jahrhundertelang in der Seetiefe geschlafen und richtete sich jetzt auf, um Umschau zu halten, ehe es weiterschlief.

Ich erinnerte mich, ich hatte dieses Tier in einer lebensgroßen Nachahmung aus Stein im Zoologischen Garten in Berlin, an der Freitreppe zum Aquariumhaus gesehen, und wußte auch, daß auf einer Tafel darunter „Iguanodon“ stand, und „seit zwanzig Millionen Jahren auf der Erde ausgestorben“. Es war eines jener vorsündflutlichen Tiere, an die ich gestern abend gedacht hatte, als Ulrike den Garten verhexte mit ihrer über alle menschlichen Begriffe starken Anziehungskraft, die die Zwerge, die Katzen und alle Männer entzündete. Vor meinem inneren Blick war Ulrike da in ein Fabelwesen verwandelt worden, für das man keine gewohnten Maßstäbe findet. Und nun sah ich am hellen, heißen Nachmittag ein Iguanodon seinen zwanzig Millionen Jahre langen Schlaf unterbrechen und mitten im See aufsteigen und Rundschau nach den Ufern halten, als wollte sich die langhalsige Gestalt

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 336. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/337&oldid=- (Version vom 31.7.2018)