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Ulrike war keine Österreicherin. Darum hörte sie auf seinen Haß gar nicht hin, sondern forderte ein neues Lied. Sie wußte wahrscheinlich auch, daß ihre weiße Hand, die sich an die Stuhllehne der Russin hielt, aufmerksam, ebenso wie ihr Nacken, von einem Zolloffizier beobachtet wurde, der hinter ihr an einem kleinen, runden gedeckten Tisch saß, wo er zu Abend gespeist hatte, und wo er jetzt seinen Kaffee trank, mit einer Zeitung rasselte und seine Zigarette rauchte.

Vor dem Offizier brannte ein Windlicht auf dem Tisch, sein Lichtkreis traf noch Ulrikes roten Haarknoten und ihren weißen Nacken, dessen Biegung sich dem Offizier hinhielt, als wollte dieser Nacken gestreichelt und geküßt werden.

Am Stamm des Mispelbaumes lehnte der junge Wirt mit seinem langen, schmalen Tiergesicht. Seine Augen schienen ganz verblödet zu sein vom langen Hinstieren auf Ulrike. Er stand dort ziemlich unbemerkt im Schatten und war nur von den Knien abwärts beleuchtet.

Über ihm im weiten Geäst des schlangenartig geformten Baumes kauerten die Hauskatzen. Es hockten dort drei, vier Katzen

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Max Dauthendey: Geschichten aus den vier Winden. Albert Langen, München 1915, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Geschichten_aus_den_vier_Winden_Dauthendey.djvu/309&oldid=- (Version vom 31.7.2018)