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Und ihm summt das Lied im Ohre,
Das er sang in trunk’nem Schauen,
Als er so zum ersten Male
Mit wollüstig bangem Beben

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Seines Mädchens Leib enthüllte,

Und er sprach in sich versunken:
„Laß mich schau’n, vergeh’n im Schauen!
Ich war blind, nun werd’ ich sehend,
Und ich taumle wie ein Blinder,

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Dem die Augen plötzlich tagen.

Meines Himmels Pforte öffn’ ich,
Und mir ist, als schauten alle
Seligen aus Allah’s Himmel
Neidisch über meine Schulter.

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Siehe, schön bist du, und lockend

Ist das Schmachten deiner Augen
Und der Wangen Schamerglühen!
Schön sind deines Busens Hügel,
Schön wie klare Marmorkuppeln

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Ueber der Moschee der Liebe,

Deren Knauf der Morgen röthet;
Schön die Wölbungen der Hüften,
Schwere, reife Wunderfrüchte;
In der Dämm’rung deines Schooßes

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Schlummert eine Welt von Wonnen,

Und auf deiner Glieder Wellen
Schwankt das Schifflein meines Lebens

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_259.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)