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Er trat mit frischen Gliedern und heit’rem Muth hervor,
Da stand mit einem Becher die Königin am Thor:
„Nun soll uns nichts mehr scheiden! Verschläfst du unser Glück?
Trink’, süßer Freund, und kehre zum Liebesfest zurück!“

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Mit Freuden nahm den Becher der lustbethörte Mann

Und schaute sie beim Trinken zärtlichen Blickes an, –
Da schrak sein Herz zusammen, – im rothen Fackellicht
Sah er ein hohnverzerrtes, haßkaltes Angesicht.

„Trink selber!“ rief er ahnend, sie faßt ein jäher Schreck, –

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„Trink! Hier ist noch die Hälfte!“ Sie blickt verstört hinweg, –

„Trink!“ rief der Unglücksel’ge und riß das Schwert heraus, –
Da griff sie nach dem Becher und trank ihn hastig aus.

Dann schleudert’ sie ihn nieder hohnlachend in den Sand
Und streifte vor ihr Antlitz das festliche Gewand. –

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_247.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)