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Das Kind saß bei der Mutter und schaute niederwärts,

Um Freyja’s Hülfe flehte ihr angstbewegtes Herz.

Nun huben an die Sänger den ernsten Wettgesang,
Doch harrte sie vergebens der lieben Stimme Klang;
Sie flüstert zu der Mutter mit bangem Angesicht:

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„Unsanft sind diese Weisen, die Meister will ich nicht.“


Da klang vom Strand herüber ein süßer Harfenschall,
Die Jungfrau schrak zusammen, die Meister lauschten all’;
Bald taucht das Lied wie Schwäne in wonnig weiche Fluth,
Bald schwingt es sich wie Adler hinauf in Wolkengluth.

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Da sprach die kluge Mutter: „Ist dir das Lied bekannt?

Das ist der junge Höther, der harft am Meeresstrand.“
Die Jungfrau sprach: „Frau Mutter, dies Lied hat sanften Klang;
Doch lernt man’s nicht vom Hören, es ist gar schwer und lang.“

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_219.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)