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Noch hebt zu ihr der Alte das Auge todesschwer,

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Noch drückt er ihre Hände, – dann regt er sich nicht mehr.

Die Jungfrau sitzet einsam; sie weint und klaget nicht,
Sie deckt mit ihrem Schleier des Todten Angesicht.

Dann steht sie auf, es regt sich kein Blatt im ganzen Wald,
Von düstrem Scheine strahlet die herrliche Gestalt.

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So stehen Wodan’s Mädchen, ihr Anblick bringt den Tod!

Dann eilt sie hohen Ganges hinaus in’s Abendroth.

Von lauten Festgelagen rauscht König Etzel’s Schloß,
In weiten Hallen zechen die Ritter und der Troß.
Auf sammtumhangnem Hochsitz der König lehnt allein;

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Er lauscht der welschen Sänger und schlürft den süßen Wein.


Sie preisen seine Thaten, sie preisen seine Macht,
Da heißt er vor sie tragen der goldnen Ringe Pracht;
Mit reichen Gaben denkt er der Gäste allzumal,
Es ward ein froh’ Gedränge in König Etzel’s Saal.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_177.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)