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Stille war’s im engen Stübchen,
Doch aus unsern warmen Herzen

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Klangen sel’ge Melodieen,

Uns’rer Blicke lichte Bande
Drängten schmeichelnd Herz an Herz.

Näher neigt’ ich meine Wange,
Fühlte deinen keuschen Athem,

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Näher neigt’ ich meine Lippen,

Und sie flehten bang’ und schweigend
In der Liebe laut’ster Sprache.
Doch du standest unbeweglich,
Nur ein rosenlichtes Lächeln

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Schien auf deinem Engelsantlitz.


Ach, da schwanden mir die Sinne,
Nimmer weiß ich, was geschehen,
Weiß nur, daß ich heiß und bebend
Deine Lippen leis berührte, -

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Ob ich küßte, weiß ich nicht. –

Weiß, daß du dich nicht gesträubet,
Denn ich hielt dir beide Hände.

Aber oben an dem Bäumchen
Knisterte ein brennend Zweiglein,

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An der Thüre pocht’ die Mutter,

Und du schlüpftest hinter’n Christbaum. –

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hertz: Gedichte. Hoffman und Campe, Hamburg 1859, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Gedichte_(Hertz_W)_066.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)