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Auch bei diesen Myelinformen ist die Struktur bedingt durch das Streben der blättchenförmigen Moleküle; einander möglichst parallel zu bleiben trotz konzentrischer Anordnung, also radialer Anordnung der optischen Achsen an gekrümmten Stellen. Die Zylinderachse dürfte wie die Fäden bei tropfbarflüssigen Kristallen ein Gebiet regelloser Molekularanordnung sein, sofern dort nicht ein von einer fremden Flüssigkeit (Mutterlauge) ausgefüllter zylindrischer Hohlraum sich befindet. Tatsächlich beobachtet man öfters die Bildung hohler schlauchartiger Myelinformen (Fig. 141), ja sogar

Fig. 143.

geschichteter, welche aus zwei oder mehr ineinander geschobenen röhrenförmigen Myelinformen bestehen (Fig. 142). Die Scheiben (Fig. 140) nehmen häufig Glockenform an (Fig. 143a, b, c).

     Bei normalem Wachstum bleibt die Dicke ungeändert, obschon das Wachstum nicht nur einfach an den Enden der Stäbchen bzw. den Rändern der Platten stattfindet. Man muß also annehmen, daß die neu sich anlagernden Moleküle zwischen die vorhandenen hineingezogen werden, wobei natürlich eine entsprechende Streckung bzw. Verbreiterung des Gebildes stattfinden muß, daß also das Wachstum nicht wie bei gewöhnlichen festen Kristallen durch Anlagerung (Apposition), sondern durch Innenaufnahme (Intussuszeption) erfolgt, ebenso wie bei Lebewesen. Auch die geringe Löslichkeit der Gebilde erinnert an die Eigenart der letzteren.

Besonders leicht bilden sich Myelinformen beim Durchleiten eines elektrischen Stromes durch Ammoniumoleathydrat, welches an ammoniakhaltiges Wasser angrenzt, da, wo der positive Strom in ersteres eintritt. Dort bildet sich nämlich durch das Zusammentreffen der mit dem positiven Strom wandernden Wasserstoffionen des Wassers mit den aus dem Ammoniumoleat austretenden, in entgegengesetzter Richtung wandernden Ölsäureionen, Ölsäure, die sofort mit dem Ammoniak im Wasser neues Ammoniumoleat in Form langer in der Richtung der Kraftlinien gegen die Anode hin