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Frau Hermine hatte oft genug „Scht!“ rufen müssen, nun passirte es ihr selber, daß sie störte. Ja, wenn man alt wird! Und wenn man sein einziges Kind in der Fremde hat und alle Gedanken bei ihm! Ihr Mann tastete nach ihrem Arm: „Paß auf“ meldete sein leiser Fingerdruck. Ach, war es schon die Stelle?

‚Und es ward Licht!‘ jubelte es durch den Saal, und eine himmlische, selige Helle schien sich zu verbreiten. Schaible’s sahen sich an; über die Sorgenfalten in beiden Gesichtern legte sich ein Abglanz des göttlichen Scheins, der sie allmählich veränderte, verjüngte. Nun erst fühlten sie, daß sie hier seien, fühlten, was kommen sollte, all das Längstbeliebte, Wohlbekannte, und die Wellen, die klar und klingend um sie spielten, nahmen sie in die weichen Arme und führten sie rückwärts, süß und schmeichelnd rückwärts über zwanzig Jahre. Ihr altes Liebes- und Verlobungsstück! Das Kind wußte es aus ihren eigenen Erzählungen, daß eine Aufführung der Schöpfung sie zusammengebracht hatte.

Wohl hatten sie einander vorher gekannt. Der arme Chorist, der auch heimlich komponirte und fast alle Instrumente leidlich zu spielen verstand, wohnte in einem Hause mit der vielgeplagten Klavierlehrerin, und sie trafen sich am Kosttische der Hauswirthin schon seit einem Jahre. Sie waren nicht jung damals,

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Ilse Frapan: Flügel auf!. Paetel, Berlin 1895, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Fl%C3%BCgel_auf_Frapan_Ilse.djvu/299&oldid=- (Version vom 31.7.2018)