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sind wir gewiss, dass Veränderlichkeit, wenn sie einmal in’s Spiel gekommen, nicht mehr gänzlich aufhört; denn unsre ältesten Kultur-Erzeugnisse bringen gelegenheitlich noch immer neue Abarten hervor.

     Der Mensch erzeugt in Wirklichkeit keine Abänderungen, sondern er versetzt nur unabsichtlich organische Wesen unter neue Lebens-Bedingungen, und dann wirkt die Natur auf deren Organisation und verursacht Veränderlichkeit. Der Mensch kann aber die ihm von der Natur dargebotenen Abänderungen zur Nachzucht auswählen und dieselben hiedurch in einer beliebigen Richtung häufen; und Diess thut er wirklich. Er passt auf diese Weise Thiere und Pflanzen seinem eignen Nutzen und Vergnügen an. Er mag Diess planmässig oder mag es unbewusst thun, indem er die ihm zur Zeit nützlichsten Individuen, ohne einen Gedanken an die Änderung der Rasse, zurückbehält. Es ist gewiss, dass er einen grossen Einfluss auf den Charakter einer Rasse dadurch ausüben kann, dass er von Generation zu Generation individuelle Abänderungen zur Nachzucht auswählt, so gering, dass sie für das ungeübte Auge kaum wahrnehmbar sind. Dieses Wahl-Verfahren ist das grosse Agens in der Erzeugung der ausgezeichnetsten und nützlichsten unsrer veredelten Thier- und Pflanzen-Rassen gewesen. Dass nun viele der vom Menschen gebildeten Abänderungen den Charakter natürlicher Arten schon grossentheils besitzen, geht aus den unausgesetzten Zweifeln in Bezug auf viele derselben hervor, ob es Arten oder Abarten sind.

     Es ist kein Grund nachzuweisen, wesshalb diese Prinzipien, welche in Bezug auf die kultivirten Organismen so erfolgreich gewirkt, nicht auch in der Natur wirksam seyn sollten. In der Erhaltung begünstigter Individuen und Rassen während des beständig wiederkehrenden Kampfs ums Daseyn sehen wir das wirksamste und nie ruhende Mittel der Natürlichen Züchtung. Der Kampf ums Daseyn ist die unvermeidliche Folge der hochpotenzirten geometrischen Zunahme, welche allen organischen Wesen gemein ist. Dieses rasche Zunahme-Verhältniss ist thatsächlich erwiesen aus der schnellen Vermehrung vieler Pflanzen und Thiere während einer Reihe günstiger Jahre und bei ihrer

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite xxx. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_470.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)