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Wesen einer Gruppe darzustellen. So ist nach meiner Ansicht das Natur-System genealogisch in seiner Anordnung, wie ein Stammbaum, aber die Abstufungen der Modifikationen, welche die verschiedenen Gruppen durchlaufen haben, müssen durch Eintheilung derselben in verschiedene sogenannte Sippen, Unterfamilien, Familien, Sektionen, Ordnungen und Klassen ausgedrückt werden.

      Zur Erläuterung dieser meiner Ansicht von der Klassifikation mag ein Vergleich mit den Sprachen angemessen seyn. Wenn wir einen vollständigen Stammbaum des Menschen besässen, so würde eine genealogische Anordnung der Menschen-Rassen die beste Klassifikation aller jetzt auf der ganzen Erde gesprochenen Sprachen abgeben; und könnte man alle erloschenen und mitteln Sprachen und alle langsam abändernden Dialekte mit aufnehmen, so würde diese Anordnung, glaube ich, die einzig mögliche seyn. Da könnte nun der Fall eintreten, dass irgend eine sehr alte Sprache nur wenig abgeändert und zur Bildung nur weniger neuen Sprachen gedient hätte, während andre (in Folge der Ausbreitung und späteren Isolirung und Zivilisations-Stufen einiger von gemeinsamem Stamm entsprossener Rassen) sich sehr veränderten und die Entstehung vieler neuer Sprachen und Dialekte veranlassten. Die Ungleichheit der Abstufungen in der Verschiedenheit der Sprachen eines Sprach-Stammes müsste durch Unterordnung der Gruppen unter einander ausgedrückt werden; aber die eigentliche oder eben allein mögliche Anordnung könnte nur genealogisch seyn; und Diess wäre streng naturgemäss, indem auf diese Weise alle lebenden wie erloschenen Sprachen je nach ihren Verwandtschafts-Stufen mit einander verkettet und der Ursprung und der Entwickelungs-Gang einer jeden einzelnen nachgewiesen werden würde.

     Wir wollen nun, zur Bestätigung dieser Ansicht, einen Blick auf die Klassifikation der Varietäten werfen, von welchen man annimmt oder weiss, dass sie von einer Art abstammen. Diese werden unter die Arten eingereihet und selbst in Unter-Varietäten weiter geschieden; und bei unsren Kultur-Erzeugnissen werden noch manche andre Unterscheidungs-Stufen angenommen, wie wir bei den Tauben gesehen haben. Das Verhältniss der

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_426.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)