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von einander geschaffen worden seyn müssen, und wir würden dieser Meinung vielleicht noch zugethan geblieben seyn, hätten nicht Agassiz u. A. unsre Aufmerksamkeit auf die Eis-Zeit gelenkt, die, wie wir sofort sehen werden, diese Thatsachen sehr einfach erklärt. Wir haben Beweise fast jeder möglichen Art, organische und unorganische, dass in einer sehr jungen geologischen Periode Zentral-Europa und Nord- Amerika unter einem arktischen Klima litten. Die Ruinen eines abgebrannten Hauses erzählen ihre Geschichte nicht so verständlich, wie die Schottischen und Wales’schen Gebirge mit ihren geschrammten Seiten, polirten Flächen, schwebenden Blöcken von den Eis-Strömen berichten, womit ihre Thäler noch in später Zeit ausgefüllt gewesen. So sehr war das Klima in Europa verschieden, dass in Nord-Italien riesige Moränen von einstigen Gletschern herrührend jetzt mit Mays und Wein bepflanzt sind. Durch einen grossen Theil der Vereinten Staaten bezeugen erratische Blöcke und von treibenden Eisbergen und Küsten-Eis geschrammte Felsen mit Bestimmtheit eine frühere Periode grosser Kälte.

     Der frühere Einfluss des Eis-Klima’s auf die Vertheilung der Bewohner Europa’s, wie ihn Edw. Forbes so klar dargestellt, ist im Wesentlichen folgender. Doch wir werden die Veränderungen rascher verfolgen können, wenn wir annehmen, eine neue Eis-Zeit rücke langsam an und verlaufe dann und verschwinde so, wie es früher geschehen ist. In dem Grade wie bei zunehmender Kälte jede weiter südlich gelegene Zone der Reihe nach für arktische Wesen geeigneter wird und ihren bisherigen Bewohnern nicht mehr zusagen kann, werden arktische Ansiedler die Stelle der bisherigen einnehmen. Zur gleichen Zeit werden auch ihrerseits diese Bewohner der gemässigten Gegenden südwärts wandern, wenn ihnen der Weg nicht versperrt ist, in welchem Falle sie zu Grunde gehen müssten. Die Berge werden sich mit Schnee und Eis bedecken, und die früheren Alpen-Bewohner werden in die Ebene herabsteigen. Erreicht mit der Zeit die Kälte ihr Maximum, so bedeckt eine einförmige arktische Flora und Fauna den mitteln Theil Europa’s bis im Süden der Alpen und Pyrenäen und bis nach Spanien hinein. Auch die

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_372.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)