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Transport lebender Saamen. Ich könnte viele Falle anführen um zu beweisen, wie oft Vögel von mancherlei Art durch Stürme weit über den Ozean verschlagen werden. Wir dürfen wohl als gewiss annehmen, dass unter solchen Umständen ihre Schnelligkeit oft 35 Engl. Meilen in der Stunde betragen mag, und manche Schriftsteller haben sie viel höher angeschlagen. Ich habe nie eine nahrhafte Saamen-Art durch die Eingeweide eines Vogels passiren sehen, wogegen harte Saamen und Früchte unangegriffen selbst durch die Gedärme des Wälschhuhns gehen. Im Laufe von zwei Monaten sammelte ich in meinem Garten aus den Exkrementen kleiner Vögel 12 Arten Saamen, welche alle noch gut zu seyn schienen, und einige von ihnen, die ich probirte, haben wirklich gekeimt. Wichtiger ist jedoch folgende Thatsache. Der Kropf der Vögel sondert keinen Magensaft aus und benachtheiligt nach meinen Versuchen die Keimkraft der Saamen nicht im mindesten. Nun sagt man, dass, wenn ein Vogel eine grosse Menge Saamen gefunden und gefressen hat, die Körner nicht vor 12—18 Stunden in den Magen gelangen. In dieser Zeit aber kann ein Vogel leicht 500 Meilen weit fortgetrieben werden; und wenn Falken, wie sie gerne thun, auf den ermüdeten Vogel Jagd machen, so kann dann der Inhalt seines Kropfes bald umhergestreut seyn. Hr. Brent benachrichtigt mich, dass ein Freund von ihm es aufgegeben hat, Botentauben von Frankreich nach England fliegen zu lassen, weil die Falken deren zu viele bei ihrer Ankunft an der Englischen Küste vertilgten. Nun verschlingen einige Falken und Eulen ihre Beute ganz und brechen nach 12-20 Stunden Ballen unverdauter Federn wieder aus, die, wie ich aus Versuchen in den Zoological Gardens weiss, oft noch keimfähige Saamen enthalten. Einige Saamen von Hafer, Weitzen, Hirse, Kanariengras, Hanf, Klee und Mangold keimten noch, nachdem sie 12—20 Stunden in den Magen verschiedener Raubvögel verweilt hatten, und zwei Mangold-Saamen wuchsen sogar, nachdem sie zwei Tage und vierzehn Stunden dort gewesen waren. Süsswasser-Fische verschlingen Saamen verschiedener Land- und Wasser-Pflanzen; Fische werden oft von Vögeln verzehrt, und so können jene Saamen von

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_368.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)