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Hemisphäre in irgend einem Theile Europa’s verwildert ist, uns zu zweifeln veranlassen, ob, wenn alle Natur-Erzeugnisse Neuseelands in Grossbritannien frei ausgesetzt würden, eine etwas grössre Anzahl derselben vermögend wäre, sich jetzt von eingeborenen Pflanzen und Thieren schon besetzte Stellen zu erobern. Von diesem Gesichtspunkte aus kann man sagen, dass die Produkte Grossbritanniens höher als die Neuseeländischen stehen. Und doch hätte der tüchtigste Naturforscher nach der sorgfältigsten Untersuchung der Arten beider Gegenden dieses Resultat nicht voraussehen können.

     Agassiz hebt hervor, dass die alten Thiere in gewissen Beziehungen den Embryonen neuer Thiere derselben Klasse gleichen, oder dass die geologische Aufeinanderfolge erloschener Formen gewissermaassen der embryonischen Entwickelung neuer Formen parallel läuft. Ich muss jedoch Pictet’s und Huxley’s Meinung beipflichten, dass diese Lehre von Ferne nicht erwiesen ist. Doch bin ich ganz der Erwartung, sie sich später wenigstens hinsichtlich solcher untergeordneter Gruppen bestätigen zu sehen, die sich erst in neuerer Zeit von einander abgezweigt haben. Denn diese Lehre von Agassiz stimmt wohl mit der Theorie der Natürlichen Züchtung überein. In einem spätern Kapitel werde ich zu zeigen versuchen, dass die Alten von ihren Embryonen in Folge von Abänderungen abweichen, welche nicht in der frühesten Jugend erfolgen und auch erst auf ein entsprechendes späteres Alter vererbt werden. Während dieser Prozess den Embryo fast unverändert lässt, häuft er im Laufe aufeinander-folgender Generationen immer mehr Verschiedenheit im Alten zusammen.

     So erscheint der Embryo gleichsam wie ein von der Natur aufbewahrtes Portrait des frühern und noch nicht sehr modifizirten Zustandes eines jeden Thieres. Diese Ansicht mag wahr seyn, ist jedoch nie eines vollkommenen Beweises fähig. Denn fänden wir auch, dass z. B. die ältesten bekannten Formen der Säugthiere, der Reptilien und der Fische zwar genau diesen Klassen entsprächen, aber doch einander etwas näher stünden als die jetzigen typischen Vertreter dieser Klassen, so würden wir uns

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 345. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_345.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)