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     Es ist gut den See-Küsten entlang zu wandern, welche aus mässig harten Fels-Schichten aufgebaut sind, und den Zerstörungs-Prozess zu beobachten. Die Gezeiten erreichen diese Fels-Wände gewöhnlich nur auf kurze Zeit zweimal im Tage, und die Wogen nagen sie nur aus, wenn sie mit Sand und Geschieben beladen sind; denn es ist leicht zu beweisen, dass reines Wasser Gesteine jeder Art nicht oder nur wenig angreift. Zuletzt wird der Fuss der Fels-Wände unterwaschen, mächtige Massen brechen zusammen, und die nun fest liegen bleiben, werden, Atom um Atom zerrieben, bis sie klein genug geworden, dass die Wellen sie zu rollen und vollends in Geschiebe und Sand und Schlamm zu verarbeiten vermögen. Aber wie oft sehen wir längs dem Fusse sich zurückziehender Klippen gerundete Blöcke liegen, alle dick überzogen mit Meeres-Erzeugnissen, welche beweisen, wie wenig sie durch Abreibung leiden und wie selten sie umhergerollt werden! Überdiess, wenn wir einige Meilen weit eine derartige Küsten-Wand verfolgen, welche der Zerstörung unterliegt, so finden wir, dass es nur hier und da, auf kurze Strecken oder etwa um ein Vorgebirge her der Fall ist, dass die Klippen jetzt leiden. Die Beschaffenheit ihrer Oberfläche und der auf ihnen erscheinende Pflanzen-Wuchs beweisen, dass allenthalben Jahre verflossen sind, seitdem die Wasser deren Fuss gewaschen haben.

     Wer die Thätigkeit des Meeres an unsren Küsten näher studirt hat, der muss einen tiefen Eindruck in sich aufgenommen haben von der Langsamkeit ihrer Zerstörung. Die trefflichen Beobachtungen von Hugh Miller und von Smith von Jordanhill sind vorzugsweise geeignet diese Überzeugung zu gewähren. Von ihr durchdrungen möge Jeder die viele Tausend Fuss mächtigen Konglomerat-Schichten untersuchen, welche, obschon wahrscheinlich in rascherem Verhältnisse als so viele andre Ablagerungen gebildet, doch nun an jedem der zahllosen abgeriebenen und gerundeten Geschiebe, woraus sie bestehen, den Stempel einer langen Zeit tragen und vortrefflich zu zeigen geeignet sind, wie langsam diese Massen zusammengehäuft worden seyn müssen. In den Cordilleren habe ich einen Stoss solcher Konglomerat-Schichten zu zehntausend Fuss Mächtigkeit geschätzt. Nun mag

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_292.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)