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im Reproduktiv-System hervorzubringen beabsichtigt, glaube ich mich aus der Zusammenstellung aller Thatsachen zu folgern berechtigt, dass die Fruchtbarkeit der Varietäten unter einander keinesweges eine allgemeine Regel und mithin auch nicht geeignet seye, eine Grundlage zur Unterscheidung von Varietäten und Arten abzugeben. Die gewöhnlich stattfindende Fruchtbarkeit der Varietäten untereinander scheint mir nicht genügend, um meine Ansicht über die sehr allgemeine aber nicht beständige Unfruchtbarkeit der ersten Kreutzungen und der Bastarde umzustossen, dass dieselbe nämlich keine besondre Eigenschaft für sich darstelle, sondern mit andern langsam entwickelten Modifikationen zumal im Reproduktiv-Systeme der miteinander gekreutzten Formen zusammenhänge.

     Bastarde und Blendlinge unabhängig von ihrer Fruchtbarkeit verglichen.) Die Nachkommenschaft der untereinander gekreutzten Arten und die der Varietäten lassen sich unabhängig von der Frage der Fruchtbarkeit noch in mehren Beziehungen miteinander vergleichen. Gärtner, dessen beharrlicher Wunsch es war, eine scharfe Unterscheidungs-Linie zwischen Arten und Varietäten zu ziehen, konnte nur sehr wenige und wie es scheint nur ganz unwesentliche Unterschiede zwischen den sogenannten Bastarden der Arten und den Blendlingen der Varietäten entdecken, wogegen sie sich in vielen andern wesentlichen Beziehungen vollkommen gleichen. Hier kann ich diesen Gegenstand nur ganz kurz erörtern. Als wichtigster Unterschied hat sich ergeben, dass in der ersten Generation Blendlinge veränderlicher als Bastarde sind; doch gibt Gärtner zu, dass Bastarde von bereits lange kultivirten Arten oft schon in erster Generation sehr veränderlich sind, und ich selbst habe sehr treffende Belege für diese Thatsache. Gärtner gibt ferner zu, dass Bastarde zwischen sehr nahe verwandten Arten veränderlicher sind, als die von weit auseinander-stehenden; und daraus ergibt sich, dass der im Grade der Veränderlichkeit gesuchte Unterschied stufenweise abnimmt. Wenn Blendlinge oder fruchtbarere Bastarde einige Generationen lang in sich fortgepflanzt werden, so nimmt anerkannter Maassen die Veränderlichkeit ihrer Nachkommen

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 282. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_282.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)