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über, sondern sind vollkommen getrennt, so verschieden voneinander, wie es sonst zwei Arten einer Sippe oder zwei Sippen einer Familie zu seyn pflegen. So kommen bei Eciton arbeitende und kämpfende Individuen mit ausserordentlich verschiedenen Kinnladen und Instinkten vor; bei Cryptocerus tragen die Arbeiter der einen Kasten allein eine wunderbare Art von Schild an ihrem Kopfe, dessen Zweck ganz unbekannt ist. Bei den Mexikanischen Myrmecocystus verlassen die Arbeiter der einen Kaste niemals das Nest; sie werden durch die Arbeiter einer andern Kaste gefüttert und haben ein ungeheuer entwickeltes Abdomen, das eine Art Honig absondert, der die Stelle desjenigen vertritt, welchen unsre Ameisen durch das Melken der Blattläuse erlangen; die Mexikanischen gewinnen ihn von Individuen ihrer eignen Art, die sie als »Kühe« im Hause eingestellt halten.

     Man mag in der That denken, dass ich ein übermässiges Vertrauen in das Prinzip der Natürlichen Züchtung setze, wenn ich nicht zugebe, dass so wunderbare und wohl-begründete Thatsachen meine Theorie auf einmal gänzlich vernichten. In dem einfacheren Falle, wo Geschlecht-lose Ameisen nur von einer Kaste vorkommen, die nach meiner Meinung durch Natürliche Züchtung ganz leicht von den fruchtbaren Männchen und Weibchen abgetrennt worden seyn können, in diesem Falle dürfen wir aus der Analogie mit gewöhnlichen Abänderungen zuversichtlich schliessen, dass jede geringe nützliche spätre Abweichung nicht alsbald an allen Geschlecht-losen Individuen eines Nestes zugleich, sondern nur an einigen wenigen zum Vorschein kam, und dass erst in Folge lang-fortgesetzter Züchtung fruchtbarer Ältern, welche die meisten Geschlechtlosen mit der nutzbaren Abänderung erzeugen konnten, die Geschlechtlosen endlich alle diesen gewünschten Charakter erlangten. Nach dieser Ansicht müsste man auch im nämlichen Neste zuweilen noch Geschlecht-lose Individuen derselben Insekten-Art finden, welche Zwischenstufen der Körper-Bildung darstellen; und diese findet man in der That und zwar, wenn man berücksichtigt, wie selten in Europa diese Geschlechtlosen näher untersucht werden, oft genug. Herr F. Smith hat gezeigt, wie erstaunlich dieselben bei

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_249.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)