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will aus der grossen Anzahl derjenigen, welche ich gesammelt und in meinem späteren Werke zu erörtern haben werde, nur drei Fälle hervorheben, nämlich den Instinkt, welcher den Kuckuck treibt seine Eier in fremde Nester zu legen, den Instinkt der Ameisen Sklaven zu machen, und den Zellenbau-Trieb der Honig-Bienen; die zwei zuletzt genannten sind von den Naturforschern wohl mit Recht als die zwei wunderbarsten aller bekannten Instinkte bezeichnet worden.

     Man nimmt jetzt gewöhnlich an, die unmittelbare und die Grund-Ursache für den Instinkt des Kuckucks seine Eier in fremde Nester zu legen beruhe darin, dass dieselben der Reihe nach nicht täglich, sondern erst jeden zweiten oder dritten Tag zur Reife kommen, so dass, wenn der Kuckuck sein eignes Nest zu bauen und auf seinen eignen Eiern zu sitzen hätte, die ersten Eier entweder eine Zeitlang unbebrütet bleiben oder Eier und junge Vögel von verschiedenem Alter im nämlichen Neste zusammen kommen müssten [1]. Wäre Diess so der Fall, so müssten allerdings die Prozesse des Legens und Ausschlüpfens unangemessen lang währen, und die zuerst ausgeschlüpften jungen Vögel wahrscheinlich vom Männchen allein aufgefüttert werden. Allein der Amerikanische Kuckuck findet sich in derselben Lage, und doch macht er sein eignes Nest und legt seine Eier nach-einander hinein, und seine Jungen schlüpfen gleichzeitig aus. Man hat zwar versichert, auch der Amerikanische Kuckuck lege zuweilen seine Eier in fremde Nester, aber nach Dr. Brewer's verlässiger Gewährschaft in diesen Dingen ist es ein Irrthum. Demungeachtet könnte ich noch mehre andre Beispiele von Vögeln anführen, die ihre Eier zuweilen in fremde Nester legen. Nehmen wir nun an, der Stamm-Vater unsres Europäischen Kuckucks habe die Gewohnheiten des Amerikanischen gehabt, doch zuweilen ein Ei in das Nest eines andren Vogels gelegt. Wenn der alte Vogel von diesem gelegentlichen


  1. Diess kann kein Grund seyn; denn das Alter der Eier polygamischer Vögel, welche 10 — 20 und mehr Eier legen und eben so viele Tage dazu bedürfen, ist noch viel ungleicher, und doch kommen die Jungen gleichzeitig aus. Es fallen somit auch die Folgerungen weg.     D. Übs.
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_227.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)