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jung sind, die Angriffe auf jene Thiere abzugewöhnen. Allerdings machen sie manchmal einen solchen Angriff und werden dann geschlagen und, wenn Das nicht hilft, endlich weggeschafft, — so dass Gewohnheit und wahrscheinlich einige Züchtung zusammengewirkt haben, unsren Hunden ihre erbliche Zivilisation beizubringen. Andrerseits haben junge Hühnchen, ganz in Folge von Gewöhnung, die Furcht vor Hunden und Katzen verloren, welche sie zweifelsohne nach ihrem ursprünglichen Instinkte besessen, während sich dieser Instinkt noch so offenbar bei jungen Fasanen zeigt, selbst wenn sie von gewöhnlichen Hennen ausgebrütet sind. Und doch haben die Hühnchen keinesweges alle Furcht verloren, sondern nur die Furcht vor Hunden und Katzen; denn sobald die Henne ihnen durch Glucken eine Gefahr anmeldet, laufen alle (zumal junge Welschhühner), um sich unter ihren Schutz zu begeben, oder um sich im Grase und Dickicht umher zu verbergen, Letztes offenbar in der instinktiven Absicht, wie wir bei wilden Boden-Vögeln sehen, um ihrer Mutter möglich zu machen davon zu fliegen. Freilich ist dieser bei unseren jungen Hühnchen zurückgebliebene Instinkt im gezähmten Zustande ganz nutzlos, weil die Mutter-Henne das Flug-Vermögen durch Nichtgebrauch gewöhnlich eingebüsst hat.

     Daraus lässt sich schliessen, dass zahme Instinkte erworben worden und wilde Instinkte verloren gegangen sind, theils durch eigne Gewohnheit und theils durch die Einwirkung des Menschen, welcher viele aufeinander-folgende Generationen hindurch eigenthümliche geistige Neigungen und Fähigkeiten, die uns in unsrer Unwissenheit anfangs nur ein sogenannter Zufall geschienen, durch Züchtung gehäuft und gesteigert hat. In einigen Fällen hat erzwungene Gewöhnung genügt, um solche erbliche Veränderung geistiger Eigenschaften zu bewirken; in andern ist durch Zwangs-Zucht nichts ausgerichtet und Alles nur durch unbewusste oder methodische Züchtung bewirkt worden; in den meisten Fällen aber haben beide wahrscheinlich zusammengewirkt.

     Nähere Betrachtung einiger wenigen Beispiele wird vielleicht am besten geeignet seyn es begreiflich zu machen, wie Instinkte im Natur-Zustande durch Züchtung modifizirt worden sind. Ich

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 226. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_226.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)