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darf, sie seye einmal einem Vorfahren der Spezies von besondrem Nutzen gewesen, oder sie seye jetzt, entweder direkt oder durch verwickelte Wachsthumsgesetze indirekt, ein besondrer Vortheil für die Abkömmlinge dieser Vorfahren.

     Natürliche Züchtung kann nicht wohl irgend eine Abänderung in einer Spezies bewirken, welche nur einer anderen Art zum ausschliesslichen Vortheil gereichte, obwohl in der ganzen Natur eine Spezies ohne Unterlass von der Organisation einer andern Nutzen zieht. Aber Natürliche Züchtung kann auch oft hervorbringen und bringt oft in Wirklichkeit solche Gebilde hervor, die einer andern Art zum unmittelbaren Nachtheil gereichen, wie wir im Giftzahne der Otter und in der Legeröhre des Ichneumon sehen, welcher mit deren Hülfe seine Eier in den Körper andrer lebenden Insekten einführt. Liesse sich beweisen, dass irgend ein Theil der Organisation einer Spezies zum ausschliesslichen Besten einer andern Spezies gebildet worden seye, so wäre meine Theorie vernichtet, weil eine solche Bildung nicht durch Natürliche Züchtung bewirkt werden kann. Obwohl in naturhistorischen Schriften vielerlei Behauptungen in dieser Hinsicht aufgestellt werden, so kann ich doch keine darunter von einigem Gewichte finden. So gesteht man zu, dass die Klapperschlange einen Giftzahn zu ihrer eignen Vertheidigung und zur Tödtung ihrer Beute besitze; aber einige Autoren unterstellen auch, dass sie ihre Klapper zu ihrem eignen Nachtheile erhalten habe, nämlich um ihre Beute zu warnen und zur Flucht zu veranlassen. Man könnte jedoch eben so gut behaupten, die Katze mache die Wellenkrümmungen mit dem Ende ihres Schwanzes, wenn sie im Begriffe einzuspringen ist, in der Absicht um die bereits zum Tode verurtheilte Maus zu warnen. Doch, ich habe hier nicht Raum auf diese und andre Fälle noch weiter einzugehen.

     Natürliche Züchtung kann in keiner Spezies irgend etwas für dieselbe Schädliches erzeugen, indem sie ausschliesslich nur durch und zu deren Vortheil wirkt. Kein Organ kann, wie Paley bemerkt, gebildet werden um seinem Besitzer Qual und Schaden zu bringen. Eine genaue Abwägung zwischen dem Nutzen und

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_211.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)