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sonst in näherer Weise mit einander verwandt seyen. Nun gibt aber die Paläontologie durchaus keine Veranlassung zu glauben, dass vordem die meisten Fische mit elektrischen Organen versehen gewesen seyen, welche fast alle ihre Nachkommen eingebüsst hätten. Die Anwesenheit leuchtender Organe in einigen wenigen Insekten aus den manchfaltigsten Familien und Ordnungen bietet einen damit gleichlaufenden schwierigen Fall dar. Man könnte deren noch mehr anführen, wie denn z. B. im Pflanzen-Reiche die ganz eigenthümliche Entwickelung einer Masse von Pollen-Körnern auf einem Fussgestelle mit einer klebrigen Drüse an dessen Ende bei Orchis und bei Asclepias, zweien unter den Blüthen-Pflanzen möglich weit auseinanderstehenden Sippen, ganz die nämliche ist. Doch kann man bemerken, dass in solchen Fällen, wo zwei sehr verschiedene Arten mit anscheinend demselben anomalen Organe versehen sind, doch gewöhnlich einige Grund-Verschiedenheiten sich daran entdecken lassen. Ich möchte glauben, dass fast in gleicher Weise, wie zwei Menschen zuweilen unabhängig von einander auf genau die nämliche Entdeckung verfallen sind, so habe auch die Natürliche Züchtung, zum Besten eines jeden Wesens wirkend und von allen analogen Abänderungen Vortheil ziehend, zuweilen zwei Theile auf fast ganz gleiche Weise in zwei organischen Wesen modifizirt, welche ihrer Abstammung von einem nämlichen Stamm-Vater nur wenig Gemeinsames in ihrer Organisation verdanken.

     Obwohl es in vielen Fällen sehr schwer ist zu errathen, durch welche Übergänge die Organe zu ihrer jetzigen Beschaffenheit gelangt seyen, so bin ich doch, in Betracht der sehr geringen Anzahl noch lebender und bekannter gegenüber den untergegangenen und unbekannten Formen, sehr darüber erstaunt gewesen zu finden, wie selten ein Organ vorkommt, zu welchem nicht einige Übergangs-Stufen führten. Die Wahrheit dieser Bemerkung ist schon in der alten obwohl etwas übertriebenen naturgeschichtlichen Regel »Natura non facit saltum« anerkannt. Wir finden Diess in den Schriften fast aller erfahrenen Naturforscher angenommen; Milne Edwards hat es mit den Worten ausgedrückt: Die Natur ist verschwenderisch in Abänderungen,

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_204.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)