Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 171.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


seit vielen und vielleicht Hunderten von Generationen verlorene Merkmale wieder zum Vorschein kommen. Wenn jedoch eine Rasse nur einmal mit einer andern Rasse gekreutzt worden ist, so zeigt der Blendling die Neigung gelegentlich zum Charakter der fremden Rasse zurückzukehren noch einige, man sagt 12—20, Generationen lang. Nun ist zwar nach 12 Generationen, nach der gewöhnlichen Ausdrucks-Weise, das Blut des einen fremden Vorfahren nur noch 1 in 2048, und doch genügt nach der allgemeinen Annahme dieser äusserst geringe Bruchtheil fremden Blutes noch, um eine Neigung zur Rückkehr in jenen Urstamm zu unterhalten. In einer Rasse, welche nicht gekreutzt worden, sondern worin beide Ältern einige von den Charakteren ihrer gemeinsamen Stamm-Art eingebüsst, dürfte die stärkere oder schwächere Neigung den verlornen Charakter wieder herzustellen, wie schon früher bemerkt worden, trotz Allem was man Gegentheiliges sehen mag, sich noch eine Reihe von Generationen hindurch erhalten. Wenn ein Charakter, der in einer Rasse verloren gegangen, nach einer grossen Anzahl von Generationen wiederkehrt, so ist die wahrscheinlichste Hypothese nicht die, dass der Abkömmling jetzt erst plötzlich nach einem mehre hundert Generationen älteren Vorgänger zurückstrebt, sondern die, dass in jeder der aufeinanderfolgenden Generationen noch ein Streben zur Wiederherstellung des fraglichen Charakters vorhanden gewesen, welches nun endlich unter unbekannten günstigen Verhältnissen zum Durchbruch gelangt. So ist z. B. wahrscheinlich, dass in jeder Generation der Barb-Taube (S. 27), welche nur sehr selten einen blauen Vogel mit schwarzen Binden hervorbringt, das Streben diese Färbung anzunehmen vorhanden seye. Diese Ansicht ist hypothetisch, kann jedoch durch einige Thatsachen unterstützt werden; und ich kann an und für sich keine grössere Unwahrscheinlichkeit in der Unterstellung einer Neigung sehen, einen durch eine endlose Zahl von Generationen fortgeerbt gewesenen Charakter wieder anzunehmen, als in der Vererbung eines thatsächlich ganz unnützen oder rudimentären Organes. Und doch können wir zuweilen ein solches Streben ein ererbtes Rudiment hervorzubringen wahrnehmen, wie sich z. B.[WS 1] in dem gemeinen


  1. Im Original z, B.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_171.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)