Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 168.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Züchtung darin einen weiten Spielraum für ihre Thätigkeit gefunden und somit den Arten einer Gruppe leicht einen grösseren Betrag von Verschiedenheit in ihren Sexual-Charakteren, als in andern Theilen ihrer Organisation verleihen können.

     Es ist eine merkwürdige Thatsache, dass die sekundären Sexual-Verschiedenheiten zwischen beiden Geschlechtern einer Art sich gewöhnlich genau in denselben Theilen der Organisation entfalten, in denen auch die verschiedenen Arten einer Sippe von einander abweichen. Um Diess zu erläutern will ich nur zwei Beispiele anführen, welche zufällig die ersten auf meiner Liste stehen; und da die Verschiedenheiten in diesen Fällen von sehr ungewöhnlicher Art sind, so kann die Beziehung kaum zufällig seyn. Sehr grosse Gruppen von Käfern haben eine gleiche Anzahl von Tarsal-Gliedern mit einander gemein; nur in der Familie der Engidae ändert nach Westwood’s Beobachtung diese Zahl sehr ab, sogar in den zwei Geschlechtern einer Art. Ebenso ist bei den Grabenden Hymenopteren der Verlauf der Flügel-Adern ein Charakter von höchster Wichtigkeit, weil er sich in grossen Gruppen gleich bleibt; in einigen Sippen jedoch ändert er von Art zu Art und dann gleicher Weise auch oft in den zwei Geschlechtern der nämlichen Art ab. Diese Beziehung hat eine klare Bedeutung in meiner Anschauungs-Weise: ich betrachte nämlich mit Bestimmtheit alle Arten einer Sippe als Abkömmlinge von demselben Stamm-Vater, wie die zwei Geschlechter in jeder Art. Folglich: was immer für ein Theil der Organisation des gemeinsamen Stamm-Vaters oder seiner ersten Nachkommen veränderlich geworden, so werden höchst wahrscheinlich Abänderungen dieser Theile durch Natürliche und Geschlechtliche Züchtung begünstigt worden seyn, um die verschiedenen Arten verschiedenen Stellen im Haushalte der Natur anzupassen, und ebenso um die zwei Geschlechter einer nämlichen Spezies für einander geschickt zu machen, oder auch um Männchen und Weibchen zu verschiedenen Lebensweisen zu eignen, oder endlich die Männchen in den Stand zu setzen mit anderen Männchen um die Weibchen zu kämpfen.

     Endlich gelange ich also zu dem Schlusse, dass die grössre

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_168.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)