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männlichen und weiblichen Elemente der Organisation scheinen davon schon berührt zu seyn vor deren Vereinigung zur Bildung neuer Abkömmlinge der Spezies. Was die Spielpflanzen (S. 15) anbelangt, so wird die Knospe allein betroffen, die auf ihrer ersten Entwickelungs-Stufe von einem Ei’chen nicht sehr wesentlich verschieden ist. Dagegen sind wir in gänzlicher Unwissenheit darüber, wie es komme, dass durch Störung des Reproduktiv-Systems dieser oder jener Theil mehr oder weniger als ein andrer berührt werde. Demungeachtet gelingt es uns hier und da einen schwachen Lichtstrahl aufzufangen, und wir halten uns überzeugt, dass es für jede Abänderung irgend eine wenn auch geringe Ursache geben müsse.

     Wie viel unmittelbaren Einfluss Verschiedenheiten in Klima, Nahrung u. s. w. auf irgend ein Wesen auszuüben vermögen, ist äusserst zweifelhaft. Ich bin überzeugt, dass bei Thieren die Wirkung äusserst gering, bei Pflanzen vielleicht etwas grösser seye. Man kann wenigstens mit Sicherheit sagen, dass diese Einflüsse nicht die vielen trefflichen und zusammengesetzten Anpassungen der Organisation eines Wesens ans andre hervorgebracht haben können, welche wir in der Natur überall erblicken. Einige kleine Wirkungen mag man dem Klima, der Nahrung u. s. w. zuschreiben, wie z. B. Edward Forbes sich mit Bestimmtheit darüber ausspricht, dass eine Konchylien-Art in wärmeren Gegenden und seichtem Wasser glänzendere Farben als in ihren kälteren Verbreitungs-Bezirken annehmen kann. Gould glaubt, dass Vögel derselben Art in einer stets heiteren Atmosphäre glänzender gefärbt sind, als auf einer Insel oder an der Küste[1]. So glaubt auch Wollaston, dass der Aufenthalt in der Nähe des Meeres die Farben der Insekten angreife. Moquin-Tandon gibt eine Liste von Pflanzen, welche an der See-Küste mehr und weniger fleischige Blätter bekommen, wenn sie auch landeinwärts

  1. Diese Abhängigkeit vom Klima ist denn doch in grosser Ausdehnung nachgewiesen worden von Gloger in seiner Schrift „über das Abändern der Vögel durch das Klima“, Breslau 1838, 8o. Von vielen anderen Abänderungen sind die äusseren Ursachen zusammengestellt in unserer „Geschichte der Natur“ II, 68—116.     D. Übers.
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 143. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_143.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)