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bestimmen, wie viel Gewicht diesen mancherlei Ursachen beizulegen seye; aber ich glaube, dass sie alle zusammen genommen in jeder Gegend das Streben nach unendlicher Vermehrung der Arten-Formen beschränken müssen.

     Natürliche Züchtung wirkt, wie wir gesehen haben, ausschliesslich durch Erhaltung und Zusammensparung solcher leichten Abweichungen, welche dem Geschöpfe, das sie betreffen, unter den organischen und unorganischen Bedingungen des Lebens, von welchen es in aufeinanderfolgenden Perioden abhängig ist, nützlich sind. Das Endergebniss wird seyn, dass jedes Geschöpf einer immer grösseren Verbesserung den Lebens-Bedingungen gegenüber entgegenstrebt. Diese Verbesserung dürfte unvermeidlich zu der stufenweisen Vervollkommnung der Organisation der Mehrzahl der über die ganze Erd-Oberfläche verbreiteten Wesen führen. Doch kommen wir hier auf einen sehr schwierigen Gegenstand, indem noch kein Naturforscher eine allgemein befriedigende Definition davon gegeben hat, was unter Vervollkommnung der Organisation zu verstehen seye. Bei den Wirbelthieren kommt deren geistige Befähigung und Annäherung an den Körper-Bau des Menschen offenbar mit in Betracht. Man möchte glauben, dass die Grösse der Veränderungen, welche die verschiedenen Theile und Organe während ihrer Entwickelung vom Embryo-Zustande an bis zum reifen Alter zu durchlaufen haben, als ein Anhalt bei der Vergleichung dienen könne; doch kommen Fälle vor, wie bei gewissen parasitischen Krustern, wo mehre Theile des Körper-Baues unvollkommner und sogar monströs werden, so dass man das reife Thier nicht vollkommener als seine Larve nennen kann. Von Baer's Maasstab scheint noch der beste und allgemeinst anwendbare zu seyn, nämlich das Maass der Differenzirung der verschiedenen Theile (»im reifen Alter« dürfte wohl beizusetzen seyn) und ihre Anpassung zu verschiedenen Verrichtungen, oder die Vollständigkeit der Theilung in die physiologische Arbeit, wie Milne Edwards sagen würde. Wir werden aber leicht ersehen, wie schwierig die wirkliche Anwendung jenes Kriteriums ist, wenn wir wahrnehmen, dass bei den Fischen z. B. die Haie von einem Theile der

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_133.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)