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für unsre Wahrnehmung, von solchem Nutzen für eine Biene oder ein anderes Insekt seyn könne, das sich mit deren Hülfe sein Futter leichter verschafft, dass es mehr Wahrscheinlichkeit der Fortdauer und der Fortpflanzung als andre Thiere seiner Art besitzt. Seine Nachkommen werden wahrscheinlich eine Neigung zu einer ähnlichen Abweichung des Organes erben. Die Röhren der Blumen-Kronen des rothen und des Inkarnat-Klee’s (Trifolium pratense und Tr. incarnatum) scheinen bei flüchtiger Betrachtung nicht sehr an Länge auseinander zu weichen; demungeachtet kann die Honig- oder Korb-Biene (Apis mellifica) den Nektar leicht aus der ersten aber nicht aus der letzten saugen, welche daher nur von Hummeln besucht wird, so dass ganze Felder rothen Klee’s der Korb-Biene vergebens einen Überschuss von köstlichem Nektar darbieten. Es würde daher für die Korb-Biene von grösstem Vortheil seyn, einen etwas längeren oder abweichend gestalteten Rüssel zu haben. Auf der anderen Seite habe ich durch Versuche gefunden, dass die Fruchtbarkeit des rothen Klee’s grossentheils durch den Besuch der Honig-suchenden Insekten bedingt ist, welche bei diesem Geschäfte die Theile der Blumenkrone verschieben und dabei den Pollen auf die Oberfläche der Narbe wischen. Sollten dagegen die Hummeln in einer Gegend selten werden, so müsste eine kürzere oder tiefer getheilte Blumenkrone von grösstem Nutzen für den rothen Klee werden, damit die Honig-Biene seine Blüthen besuchen könne. Auf diese Weise begreife ich, wie eine Blüthe und eine Biene nach und nach, seye es gleichzeitig oder eine nach der andern, abgeändert und auf die vollkommenste Weise einander angepasst werden könnten durch fortwährende Erhaltung von Einzelnwesen mit beiderseits nur ein wenig günstigeren Abweichungen der Struktur.

     Ich weiss wohl, dass die durch die vorangehenden ersonnenen Beispiele erläuterte Lehre von der Natürlichen Auswahl denselben Einwendungen ausgesetzt ist, welche man anfangs gegen Ch. Lyell’s grossartige Ansichten in »the Modern Changes of the Earth, as illustrative of Geology« vorgebracht hat; indessen hört man jetzt die Wirkung der Brandung z. B. in

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_100.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)