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ich keinen Grund zu zweifeln finden, dass die schlanksten und schnellsten Wölfe am meisten Aussicht auf Fortkommen und somit auf Erhaltung und Verwendung zur Nachzucht hätten, immerhin vorausgesetzt, dass sie dabei Stärke genug behielten, um sich ihrer Beute auch zu einer andern Jahreszeit zu bemeistern, wo sie veranlasst seyn könnten, auf andre Thiere auszugehen. Ich finde um so weniger Ursache daran zu zweifeln, da ja der Mensch auch die Schnelligkeit seines Windhundes durch sorgfältige und planmässige Auswahl oder durch jene unbewusste Wahl zu erhöhen im Stande ist, welche schon stattfindet, wenn nur Jedermann den besten Hund zu haben strebt, ohne einen Gedanken an Veredelung der Rasse.

     So könnte auch ohne eine Veränderung in den Verhältnisszahlen der Thiere, die dem Wolfe zur Beute dienen, ein junger Wolf zur Welt kommen mit angeborner Neigung gewisse Arten von Beutethieren zu verfolgen. Auch Diess ist nicht sehr unwahrscheinlich; denn wie oft nehmen wir grosse Unterschiede in den natürlichen Neigungen unsrer Hausthiere wahr! Eine Katze z. B. ist geneigt Ratten und die andre Mäuse zu fangen. Eine Katze bringt nach Hrn. St. John geflügelte Beute nach Hause, die andre Hasen und Kaninchen, und die dritte jagt auf Marschland und meistens nächtlicher Weile nach Waldhühnern und Schnepfen. Man weiss, dass die Neigung Ratten statt Mäuse zu fangen, vererblich ist. Wenn nun eine angeborne sehwache Veränderung in Gewohnheit oder Körper-Bau einen einzelnen Wolf begünstigt, so hat er am meisten Aussicht auszudauern und Nachkommen[WS 1] zu hinterlassen. Einige seiner Jungen werden dann vermuthlich dieselbe Gewohnheit oder Körper-Eigenschaft erben, und so kann durch oftmalige Wiederholung dieses Vorgangs eine neue Varietät entstehen, welche die alte Stamm-Form des Wolfes ersetzt oder zugleich mit ihr fortbesteht. Nun werden ferner Wölfe, welche Gebirgs-Gegenden bewohnen, und solche, die sich im Tieflande aufhalten, von Natur genöthigt, auf verschiedene Beute auszugehen, und mithin bei fortdauernder Erhaltung der für jede der zwei Landstriche geeignetesten Individuen allmählich zwei Abänderungen bilden. Diese Varietäten müssen da, wo ihre


  1. Im Original Nackkommen
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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_096.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)