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Lebens angepasst wären, dass keine unter ihnen mehr einer Veredelung fähig wäre; denn in allen Gegenden sind die eingebornen Arten so weit von naturalisirten Erzeugnissen überwunden worden, dass diese Fremdlinge im Stande gewesen sind festen Besitz vom Lande zu nehmen. Und da die Fremdlinge überall einige der Eingeborenen aus dem Felde geschlagen haben, so darf man wohl daraus schliessen dass, wenn diese mit mehr Vorzügen ausgestattet gewesen wären, sie solchen Eindringlingen mehr Widerstand geleistet haben würden.

     Da nun der Mensch durch methodisch oder unbewusst ausgeführte Wahl zum Zwecke der Nachzucht so grosse Erfolge erzielen kann und gewiss erzielt hat, was muss nicht die Natur leisten können? Der Mensch kann absichtlich nur auf äusserliche und sichtbare Charaktere wirken; die Natur fragt nicht nach dem Aussehen, ausser wo es zu irgend einem Zwecke nützlich seyn kann. Sie kann auf jedes innere Organ, auf den geringsten Unterschied in der organischen Thätigkeit, auf die ganze Machinerie des Lebens wirken. Der Mensch wählt nur zu seinem eignen Nutzen; die Natur nur zum Nutzen des Wesens, das sie pflegt. Jeder von ihr ausgewählte Charakter wird daher in voller Thätigkeit erhalten und das Wesen in günstige Lebens-Bedingungen versetzt. Der Mensch dagegen hält die Eingebornen aus vielerlei Klimaten in derselben Gegend beisammen und entwickelt selten irgend einen Charakter in einer besonderen und ihm entsprechenden Weise fort. Er füttert eine lang- und eine kurz-schnäbelige Taube auf dieselbe Weise; er beschäftigt einen lang-rückenigen oder einen lang-beinigen Vierfüsser nicht in einer besondern Art; er setzt das lang- und das kurz-wollige Schaaf demselben Klima aus. Er veranlasst die kräftigeren Männchen nicht, um ihre Weibchen zu kämpfen. Er zerstört nicht mit Beharrlichkeit alle unvollkommenen Thiere, sondern schützt vielmehr alle diese Erzeugnisse, so viel in seiner Gewalt liegt, in jeder verschiedenen Jahreszeit. Oft beginnt er seine Auswahl mit einer halb-monströsen Form oder mindestens mit einer schon hinreichend vorragenden Abänderung, um sein Auge zu fesseln oder ihm offenbaren Nutzen zu versprechen. In der Natur dagegen kann schon die

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Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_088.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)